Kino

Federführende Frauen

Heft 02, 2020

Federführende Frauen

Aarti Kapur Singh |Autor

Heft 02, 2020


Seitdem Hindi-Filme von der breiten Masse akzeptiert werden, bieten sie treffende kritische Kommentare zur Darstellung von Weiblichkeit und Geschlechterrollen. Die allgemeine Perspektive wandelt sich und versteht und akzeptiert weibliche Figuren in unkonventionellen Rollen allmählich besser, meint Aarti Kapur Singh

Ein Film, der zeigt, wie Frauen in indischen Dörfern behandelt werden, wenn sie hygienische Sanitäranlagen verlangen. Ein weiterer, der sich um das Stigma des Menstruationszyklus dreht. Einer über den Kampf eines Mädchens, das Opfer eines Säureangriffs wird. Ein Film, in dem die weibliche Hauptperson die missbräuchlichen Handlungen ihres Mannes hinterfragt. All dies sind Beispiele, wie Indiens größte Filmindustrie Bollywood auf Frauenrechtsthemen reagiert. In vielen spielen Frauen die Hauptrolle, in einigen Männer. R. Balki, der Regisseur von PadMan, meint: „Die Zeiten sind vorbei, in denen es nur zwei weibliche Charaktere in Bollywood-Filmen gab: die schwachen oder mitfühlenden und die Pistolen schwenkenden.“

Die Schauspielerin Shabana Azmi, die den Spagat zwischen Parallel- und Mainstream-Kino schafft, sieht einen klaren Unterschied in der Darstellung von Frauenthemen damals und heute: „Es gab schon früher eine Tendenz zu den vorherrschend sensiblen Rollen, aber dann wurden Frauen auf traditionelle, stereotype Weise als vergebende Ehefrau, sich aufopfernde Mutter, verständnisvolle Schwester etc. besetzt. Ich bin stolz, in Arth mitgespielt zu haben, wo die Komplexität von Frauen ausgelotet wurde. Insgesamt betrachtet waren dies allerdings die ganz großen Ausnahmen. Aber jetzt sieht man, wie sich alles verändert.“

DIE ZEITEN ÄNDERN SICH

Vom Schwarzweiß- zum Farbfilm hat sich das indische Kino extrem weiterentwickelt, ebenso wie die Darstellung von Frauen und ihren Themen. Das indische Kino bedient die Massen, und die Art und Weise, wie die Gesellschaft einen veränderten Standpunkt gegenüber dem Leben und den Herausforderungen von Frauen einnimmt, spiegelt sich im Kino genauso wider. Das Publikum schlendert heute nicht mehr nur mit Popcorn und Cola herdenartig in Multiplex-Kinos, sondern prüft die Filme auf Herz und Nieren.

Weibliche Rollen haben sich im indischen Kino mittlerweile auf verschiedene Weise gewandelt. Der Feminismus scheint die Medien für die Anstrengungen der Frauen mobilisiert zu haben und sorgt für kritisches Hinterfragen. In den letzten Jahren haben sich Frauenrollen in kommerziellen Hindi-Filmen verändert und viele Blockbuster besetzen wichtige Rollen mit Frauen. Aber die zentrale Frage lautet, was diese Rollen bedeuten.

Filme wie Pad Man rücken wichtige Themen wie die Bereitstellung preiswerter Damenbinden für Frauen auf dem Land in den Fokus

DARSTELLUNG DER REALITÄT

„Früher beschränkten Hindi-Filme Frauen auf eine Darstellung, die traditionellen Werten entsprach, und sie wurden von Männern dominiert. Dies zeigt sich klar in der Charakterisierung – den diversen weiblichen Archetypen – die eindimensional und substanzlos waren. Heute spielen jedoch mehr und mehr Frauen reale Rollen – sie sind eine von uns. Dies sind die starken Frauen, die nach ihren eigenen Bedingungen leben“ erklärt die Schauspielerin Vidya Balan, die in verschiedenen Frauenfilmen mitspielte.

Die starken, in Bollywood porträtierten Frauen entsprechen real existierenden Typen – sie sind nicht mehr so flach dargestellt wie in früheren Filmen. Die Charaktere sind wirklichkeitsgetreuer geworden. Regisseur Sanjay Leela Bhansali meint: „In einem Land wie Indien, wo sich das Schicksal eines Films jeden Donnerstag oder Freitag entscheidet, kann man keine radikalen, verallgemeinernden Aussagen darüber treffen, ob die Darstellung von Frauen in Bollywood fortschrittlich oder rückschrittlich ist. Als Regisseur ziehen mich starke Frauen an. Ich kann ihrem Drang, im Mittelpunkt stehen zu wollen, nicht widerstehen. So entstanden Filme wie Padmaavat und eine Figur wie Mastani.“

Eine Szene aus dem Film Tumhari Sulu (2017) mit Vidya Balan als liebende Hausfrau

In den letzten Jahren sind weibliche Charaktere in mehreren Filmen zu ihrem Recht gekommen: in Queen, The Dirty Picture, Kahaani, Tumhari Sulu und vielen anderen. „Diese so deutliche Veränderung hat sich allmählich angebahnt“, so Balan.

ZUKÜNFTIGE AUSSICHTEN

Aber es gibt immer Hoffnungen auf noch weitere Verbesserung. Die Schauspielerin Kangana Ranaut erklärt: „Das indische Mainstream-Kino scheut große kommerzielle Risiken, sodass man am liebsten den schablonenhaften Ansatz weiterverfolgt. Zu diesen ‚Formeln‘ gehören unter anderem Familiendramen, Musik und Tanz, Liebesgeschichten, Happy Ends und bedeutungsschwangere Melodramen. Bei der Ausbalancierung zwischen der fehlenden Darstellung von weiblichen Themen und dem Auftreten von Frauen in unseren Filmen ist noch einiges zu tun.“

Von links nach rechts: Shabana Azmi, eine Schauspielerin, die dafür bekannt ist, die Parameter des konventionellen Kinos neu zu definieren; Die Schauspielerin Tabu, die unkonventionelle Rollen spielt, in denen Frauen in ihrer Berufslaufbahn mit Schwierigkeiten konfrontiert sind; Die Bollywood-Mimin spielt in Filmen verschiedener Genres hintergründige, starke und frauenfokussierte Rollen

Vielversprechend ist, dass das Publikum unkonventionelle Geschichten zunehmend besser aufnimmt. Während sich die Gesellschaft weiterentwickelt und die Geschlechtergleichheit tatsächlich akzeptiert, macht auch das Hindi-Kino Fortschritte: es schafft Präzedenzfälle und bietet Inspiration und stärkere Rollenmodelle, die das Publikum widerspiegeln.

Aarti Kapur Singh

Aarti ist unabhängige Autorin mit fast zwei Jahrzehnten Erfahrung mit verschiedenen Medien. Nachdem sie ihren Doktor in Filmwissenschaften gemacht hat, frönt sie jetzt ihrer Leidenschaft, die Welt zu entdecken. Sie schreibt über Essen, Luxus, Filme, Reisen, Wellness und Prominente.
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