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Der Weg zu mehr Wachstum

Heft 01, 2020

Der Weg zu mehr Wachstum

Bibek Debroy |Autor

Heft 01, 2020


Der renommierte Wirtschaftswissenschaftler und Vorsitzende des Wirtschaftsberatungsausschusses von Premierminister Narendra Modi, Bibek Debroy, erläutert den Weg Indiens hin zu einer 5 Billionen USD-Wirtschaft

Seit einigen Jahren wird Indien oft als eine der weltweit am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften beschrieben, was vor dem Hintergrund des globalen wirtschaftlichen Rückgangs umso positiver ins Auge sticht. Die indische Regierung hat das ehrgeizige Ziel ausgegeben, Indien bis 2024-25 in eine 5 Billionen-USD-Wirtschaft zu verwandeln. Einige halten dies für unerreichbar, und die meisten vergessen die schiere Größe der indischen Wirtschaft bei ihren Prognosen. Selbst wenn die indische Wirtschaft langsamer wächst, wird ihr Beitrag für die Weltwirtschaft allein aufgrund ihres Volumens höher sein.

Eine BIP-Wachstumsrate von acht Prozent ist notwendig, um das 5 Billionen-USD-Ziel zu erreichen, und die Regierungsinitiativen für effiziente öffentliche Ausgaben, effiziente Grundstücks-, Arbeits- und Kapitalmärkte sowie für die Stimulation von Produktivität und Unternehmertum sollen ein Anstoß dafür sein. Selbstverständlich sind in den indischen Bundesstaaten ausreichend Kapazitäten vorhanden, um für ein achtprozentiges Wachstum zu sorgen. Ein höheres BIP ist nicht nur eine Zahl. Es bedeutet höhere Einkommen, mehr Beschäftigung, bessere Lebensbedingungen, weniger Armut und verbesserte sozioökonomische Indikatoren. Im letzten Quartal wurde zwar eine Verlangsamung beobachtet, jedoch wurden bereits monetäre und steuerliche Anreize gesetzt, die sich bald auswirken werden. Wenn man den derzeitigen Stand betrachtet, kann man für das Finanzjahr 2019-20 von einem BIP-Wachstum in Indien von rund fünf Prozent ausgehen.

Einer der Erfolge der makroökonomischen Steuerung seit 2014 ist die Inflationskontrolle. Sechs Prozent reales Wachstum und vier Prozent Inflation ergeben 10 Prozent nominales Wachstum, während sechs Prozent reales Wachstum und neun Prozent Inflation 15 Prozent nominales Wachstum ergeben. Zwar mögen sich 15 Prozent nominales Wachstum besser anhören als 10 Prozent, aber letzteres ist wegen der niedrigeren Inflation zu bevorzugen.

Das Ziel für Indien ist jedoch eine höhere Wachstumskurve. Seit 2014, wobei die Politik der zweiten Modi-Regierung die logische Fortsetzung der ersten Amtszeit ist, werden die Bausteine so platziert, um genau dies sicherzustellen. Aber erstens sind die externen Faktoren ungünstig und die globale Unsicherheit beeinträchtigt die indischen Exporte und Wachstumsaussichten. Nicht viele Ländern werden wohl mit sechs Prozent wachsen. Zweitens verfügt das System intern über reichlich Kapazitäten und endogene Wachstumsquellen.

Drittens muss die Integration im Sinne der öffentlichen Bereitstellung einer physischen und sozialen Infrastruktur interpretiert werden. Öffentlich zugängliche Dashboards zeigen Verbesserungen bei Straßen (und anderen Transportformen), Elektrizität, Gasanschlüssen, Toiletten, Kanalisation, Wohnungsbau, Schulen (und höheren Bildungseinrichtungen), Kompetenzen, medizinischer Versorgung, Versicherungen, Renten, Bankkonten und Krediten. Diese Verbesserungen sind besonders im ländlichen Indien spürbar. Aus diesem Grund zeigt der letzte Bericht über die menschliche Entwicklung der UNDP einen deutlichen Rückgang der multidimensionalen Armut. Integration bedeutet auch finanzielle Unterstützung der Armen. Dies erfolgt nun durch dezentralisierte Identifizierung (per Zensus und nicht per Umfrage), indem die Informationen aus der sozioökonomischen Kastenvolkszählung (SECC) verwendet werden. Diese Untersuchung wird zur Feststellung der Nutznießer, sowohl für die Unions- wie auch die Bundesstaatsprogramme, sowie zur Eliminierung von Lecks und Häufungen verwendet. Die Unterstützung wird nun in Bankkonten gebündelt und mit Aadhaar verknüpft (Aadhaar ist eine Identifizierungsnummer, welche die Individuelle Identifizierungsbehörde Indiens erstellt und an jeden Bewohner des Landes vergibt). Die Produktivitätssteigerungen aufgrund derartiger Integrations- und Stärkungsinitiativen können nicht unmittelbar in wirtschaftlichen Zahlen ausgedrückt werden. Sie sind aber spürbar (und anhand von Einzelbeispielen bestätigt, wie beispielsweise bei der Umstellung von Feuerholz auf LPG, bei der Bereitstellung von Toiletten oder bei den Mudra-Darlehen) und werden dazu führen, dass Indien die demokratische Dividende in Wachstum verwandeln wird.

Die Unionsministerin für Finanzen und Unternehmensangelegenheiten, Nirmala Sitharaman, bei ihrer Ankunft im Parlament in Neu Delhi am 1. Februar zur Vorstellung des allgemeinen Budgets 2020-21

Viertens ist diese Integrations- und wirtschaftliche Stärkungsagenda vor dem Hintergrund zu sehen, dass sowohl der Lebensstandard der Bürger als auch die Wirtschaftsfreundlichkeit für Unternehmer verbessert wird. Ein Unternehmer ist nicht unbedingt ein korporativer Unternehmer und die Wirtschaftsfreundlichkeit beinhaltet nicht nur die Indikatoren der Weltbank, wobei sich Indiens Rang auch dort verbessert hat. Die Wirtschaftsfreundlichkeitsinitiative des Department of Industrial Policy and Promotion (DIPP) oder des Department for Promotion of Industry and Internal Trade haben das Wirtschafts- und Investitionsklima in allen Bundesstaaten verbessert.

Fünftens wird sich das institutionelle Aufräumen vermutlich kurzfristig positiv auf das Wachstum auswirken. Beispiele hierfür sind der Real Estate (Regulation and Development) Act, die Untersuchung illegaler Finanztransaktionen, das scharfe Vorgehen gegen Mantelgesellschaften, ein Insolvenz- und Konkursgesetzt und verbesserte Einhaltung der Steuervorschriften. Dies wird zu unmittelbaren Wachstumskosten führen, die gegen zukünftige Effizienzzuwächse in der Zukunft aufgerechnet werden.

Die Finanzen der Unionsregierung werden gut verwaltet und es gibt keine Abweichungen von dem Ziel der steuerlichen Konsolidierung. Die Steuerreform wird ausgearbeitet und der Unternehmenssteuersatz wurde bereits gesenkt. Was direkte und indirekte Steuern angeht, so lautet die Agenda Vereinfachung und Wegfall von Ausnahmen, was die Kosten für die Einhaltung senken wird. Daher lautet die Botschaft, dass ein BIP von fünf Prozent in 2019-20 kein Untergangsszenario darstellt – höhere Wachstumskurven stehen bevor.

Bibek Debroy

Bibek Debroy ist derzeit Vorsitzender des Wirtschaftsberatungsausschusses des Premierministers. Er ist Mitglied von NITI Aayog und war Vorsitzender des Komitees zur Umstrukturierung von Indian Railways. Er hat diverse Bücher über Wirtschaft, politische Ordnung, Indologie und Sanskrit verfasst und übersetzt.
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