Erbe

Die traditionelle Visitenkarte

Heft 04, 2020

Die traditionelle Visitenkarte

Chinnaraja G. Naidu |Autor

Heft 04, 2020


Indiens Kulturerbe zeigt sich in seiner reichen Vielfalt an einheimischen Produkten und Kunsthandwerk. Gemäß der Devise ‚Vocal for Local’ erklärt uns Chinnaraja Naidu die GI- (Geographical Indication) Kennzeichnungen für regionale Herkunft und wie diese den Herstellern vor Ort helfen, ihre einzigartigen Werke und ihr traditionell erworbenes Know-how zu schützen und zu bewerben

Bei einigen seiner jüngsten Auftritte war der indische Premierminister Narendra Modi mit einem Gamusa zu sehen, einem gewebten, traditionellen Schal mit typischer roter Einfassung und floralen Motiven aus dem Bundesstaat Assam. Das rechteckige Kleidungsstück ist seit dem 18. Jahrhundert ikonisches Symbol für die assamesische Kultur. Abgesehen von der kulturellen und historischen Bedeutung ist der Gamusa auch deswegen einzigartig, weil er einen traditionellen Webstil repräsentiert, der in den östlichen Grenzregionen Indiens praktiziert wird.

Bei einer kulturell derart vielfältigen Demographie wie in Indien ist der Gamusa nicht das einzige typische Produkt, sondern eines von über 370, die in den verschiedenen Regionen des Landes exklusiv hergestellt werden. In dem massiven Bemühen, die indische Kultur zu schützen, zu verbreiten und zu zelebrieren, wurde in 2004/5 die GI-Kennzeichnung als geistiges Eigentumsrecht für die jeweiligen Erzeugergemeinschaften eingeführt. Das erste Produkt, das unter diese Norm fiel, war der Darjeeling Tee. Seitdem ist die Liste auf über 350 typische regionale Produkte angewachsen und jedes Jahr gehen neue Anträge ein.

Die GI-Kennzeichnung ermöglicht es dem Hersteller, die Verwendung durch Unbefugte zu verhindern, deren Produkt nicht dem gültigen Standard entspricht, wie er von dem registrierten Eigentümer innerhalb einer bezeichneten geographischen Region festgelegt wurde. So ist beispielsweise im Falle von Bikaner Bhujia, einem pikanten Snack aus Bikaner in Rajasthan, die geographische Angabe ‚Bikaner’ geschützt. Daher dürfen die Produzenten des besagten Bhujia den Begriff ‚Bikaner’ für den Snack nur verwenden, wenn er innerhalb des bezeichneten Gebiets und gemäß den Standards für die GI-Kennzeichnung hergestellt wurde.

Premierminister Narendra Modi präsentiert regionale und einheimische Produkte anhand eines Manipuri Meiti Lengyan Schals

SCHUTZ DER HERKUNFT
Die GI-Kennzeichnung, die für unbegrenzte Zeit gilt, verleiht gekennzeichnete Produkte rechtlichen Schutz. Der ursprüngliche und legitime Hersteller wird identifiziert und registriert. Im Wesentlichen fördert das GI-System den wirtschaftlichen Wohlstand der Hersteller in einem geographischen Gebiet und hilft einer Gemeinschaft dabei, ihre Produkte von Konkurrenzprodukten auf dem Markt abzuheben.

Alle GI-gekennzeichneten Produkte werden nur dann anerkannt, wenn sie die Grenzwertkriterien in Bezug auf Qualität und Authentizität einhalten. Für die Verbraucher ist die GI-Kennzeichnung ein Symbol, das ihnen hilft, authentische Produkte zu erkennen, was die Produzenten wirtschaftlich unterstützt. Es wurde festgestellt, dass eine überwältigende Mehrheit der Verbraucher bereit ist, höhere Preise für Produkte zu bezahlen, von denen sie annehmen, dass sie in einer bestimmten Gegend mithilfe von traditionellem Know-how und Expertise und regionaltypisch erzeugt wurden (was an dem GI-Kennzeichen sichtbar ist).

HERGESTELLT IN INDIEN
GI-Kennzeichnungen stellen geistiges Eigentum dar, was bedeutet, dass sie innerhalb unseres Landes von ähnlichen bestehenden Rechten in anderen Ländern unabhängig sind..

Chikmagalur-Arabica-Kaffeebohnen sind auf einer Plantage in Karnataka in der Sonne ausgelegt

Aufgrund des kommerziellen Potentials ist ein angemessener rechtlicher Schutz der regionalen Herkunft notwendig, um die missbräuchliche Verwendung zu verhindern. Auf internationaler Ebene legt bemerkenswerterweise das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen) der Welthandelsorganisation (WTO) die Mindeststandards für den Schutz der regionalen Herkunft fest, den WTO-Mitgliedsstaaten innerhalb ihrer jeweiligen nationalen Gesetzgebung einhalten müssen.

Entsprechend dieser Verpflichtung hat Indien im Jahr 1999 den Geographical Indications of Goods (Registration and Protection) Act eingeführt. Hierfür werden Anträge bei einem multinationalen Konsortium eingereicht, um die Identität der indischen Produkte nicht nur innerhalb des Landes, sondern auch in aller Welt zu schützen. So existiert beispielsweise für den Darjeeling Tee die einzige GI-Kennzeichnung im Rahmen der EU-Bestimmungen. Selbst bei internationalen GI-Kennzeichnungen sollten die Hersteller ihre Anträge im Rahmen des GIG-Gesetzes stellen, um ihre Rechte in Indien durchzusetzen. Indien hat 15 solcher GI-Kennzeichnungen von außerhalb des Landes registriert, welche ähnliche hochwertige Standards erfüllen.

GI-Kennzeichnungen schützen die Identität unseres reichen kulturellen und nationalen Erbes. Die gekennzeichneten Produkte und diejenigen, die in die Herstellung involviert sind, sind unverzichtbarer Teil unserer vielfältigen Kultur und Gesellschaft. Das GIG-Gesetz steht symbolisch für Indiens Verpflichtung für ein zeitgemäßes Bewusstsein zum Schutz unseres traditionellen Wissens und ist gleichzeitig Werbung für das indische Kulturerbe im ganzen Land. Die Dokumentation, der Schutz und die Förderung dieser Produkte gemäß ihrem ureigenen Wesen ist eine Anstrengung für nachhaltige Entwicklung geistigen Eigentums.

Chinnaraja G. Naidu

Chinnaraja G Naidu is the Deputy registrar for GI tags in India. Naidu, an active conversationalist, has published numerous seminars, white papers and official reports on India’s cultural heritage and its preservation through the GI tagging mechanism in the country.
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