Die große Leistung im Himalaya
Der weltweit längste hochgelegene Himalaya-Tunnel, der Atal-Tunnel, ist ein Wunder der Ingenieurskunst und wurde kürzlich von PM Narendra Modi eingeweiht. Wir beleuchten die strategische Bedeutung des Tunnels
Am 3. Oktober 2020 weihte der indische Premierminister Narendra Modi den weltweit längsten hochgelegenen Straßentunnel – den Atal-Tunnel – am Rohtang-Pass in Himachal Pradesh ein, der eine wetterunabhängige Anbindung der Gebirgsstadt Manali an das Lahaul-Spiti-Tal gewährleistet. Der Tunnel, ein technisches Wunderwerk, ist ein wichtiger Bestandteil von Indiens Grenzinfrastruktur im Himalaya. Damit ist man dem Ziel näher gerückt, für eine wetterunabhängige Anbindung von Leh, der Hauptstadt des Unionsterritoriums Ladakh, und anderen entlegenen Gebieten zu sorgen. Außerdem ist der Tunnel von größter Bedeutung für die Landesverteidigung.
Erstaunliche Zahlen
Der 9,02 km lange Tunnel verläuft auf einer Höhe von 3.000 m im östlichen Pir Panjal-Gebirge auf dem Leh-Manali-Highway. Er erstreckt sich bis Darcha, nördlich von Keylong, in der malerischen Lahaul-Region. Bevor der Tunnel in Betrieb ging, war das Gebiet fast sechs Monate lang isoliert, weil der Rohtang-Pass zwischen November und Mai schneebedeckt ist. Alljährlich mussten die Behörden mühevoll die Straße von Schnee befreien, um das Passieren zu ermöglichen. Mit der wetterunabhängigen Anbindung verkürzt der Tunnel auch die 472 km zwischen Manali und Leh um 46 Kilometer und reduziert deutlich die Zeit für die Überquerung des Rohtang-Passes von mehr als zwei Stunden auf 15 Minuten.Das Projekt wurde von der Border Roads Organisation (BRO) des Verteidigungsministeriums durchgeführt. Neben den BRO-Mitarbeitern umfasste das Atal-Tunnelprojekt Fachleute aus aller Welt, darunter aus Österreich, Kroatien, der Türkei, Ungarn und den Philippinen.

Die Herausforderungen
Der Tunnel ist nach dem ehemaligen indischen Premierminister Atal Bihari Vajpayee benannt, da seine Administration das Projekt im Jahr 2000 genehmigt hatte. Die Atal Bihari Vajpayee-Regierung hatte im Juni 2000 die Entscheidung für den Bau des Tunnels getroffen, und der Grundstein für die Zugangsstraße zu dem südlichen Tunneleingang wurde im Mai 2002 gelegt.Allerdings ging das Projekt langsamer als erwartet voran, da die Ingenieure auf verschiedene Hindernisse trafen. Die doppelte Herausforderung der großen Höhe und der extremen klimatischen Bedingungen war insbesondere in den kälteren Monaten riesig. Aufgrund heftiger Schneefälle und Stürme war der Nordzugang des Tunnels nicht zugänglich, was den Fortgang des Projekts erheblich einschränkte. Die Ingenieure konnten nur am Südzugang des Tunnels Bohrarbeiten ausführen.Noch problematischer waren die instabilen geologischen Bedingungen des Himalayas und die damit verbundene seismische Aktivität, die Erdrutsche und Lawinen auslösen kann. Der Tunnel verläuft an 46 Stellen entlang, an denen Lawinen verzeichnet wurden. Um dieses Problem zu lösen, nutzten die Ingenieure eine neue österreichische Tunnelbauweise – eine moderne Technologie, die sich für den Tunnelbau im Himalaya eignet. Nach siebenjährigen Grabungen war im Oktober 2017 der Durchbruch von beiden Enden aus erreicht. Die Konstruktion beinhaltet einen in den Haupttunnel integrierten Fluchttunnel sowie 18 Lawinenschutzverbauungen. Die Fertigstellung war für Mai 2020 geplant, verzögerte sich allerdings aufgrund der Covid-19-Pandemie und des nachfolgenden Lockdowns bis September.
Sichere Grenze
Der Atal-Tunnel ist ein wichtiger Bestandteil von Indiens umfassenden Bemühungen für eine bessere Grenzinfrastruktur in den letzten Jahren. Diese umfasst alle Anbindungsoptionen einschließlich Straße, Bahn und Luftweg. Aufgrund der Zielstrebigkeit und Ingenieurskunst wird sich eine Vorbildwirkung auf andere ehrgeizige Infrastrukturpläne in den Bereichen Verteidigung und Entwicklung zeigen. Der strategisch bedeutsame Tunnel wird für einen ganzjährigen, zügigeren Transport von Verpflegung, Waffen und anderer Logistik zu den in Ladakh stationierten Truppen sorgen. Er unterstützt außerdem einen schnelleren Personaleinsatz.
Unterstützung der Bevölkerung vor Ort
Die neue Straße bietet der einheimischen Bevölkerung die Chance auf Verbesserungen des Lebensstandards und der Gesundheit, da sich die Anbindung an größere Märkte und medizinische Einrichtungen erhöht. Die Bewohner des Lahaul- und Spiti-Tals sind aufgrund starker Schneefälle im Winter fast sechs Monate vom Rest des Landes abgeschnitten. Der Tunnel wird außerdem dem Tourismus im Lahaul-Tal und in Ladakh einen Schub verleihen. Die Regierung von Himachal Pradesh hat bereits Pläne für neue touristische Attraktionen wie elektrische Aussichtsbusse und Cafés an beiden Tunnelenden. Ein Wintersportfestival ist im Lahaul-Spiti-Tal geplant. Der Tunnel an sich wird ebenfalls eine touristische Attraktion sein, wie man anhand der Horden von Touristen sehen kann, die in den ersten Tagen nach der Eröffnung zum Tunnel strömten, um diese Ingenieursleistung zu bewundern.