Kunst

Göttliche Kunst

Heft 02, 2021

Göttliche Kunst

Bhagyasri Sahoo |Autor

Heft 02, 2021


Eine der ältesten Malereiformen Indiens – Pattachitra – soll mit der Errichtung des Jagannath-Tempels in Puri, Odisha, ihren Anfang genommen haben. Bhagyasri Sahoo und Shrabasti Anindita Mallik erläutern die Komplexität dieser traditionellen Kunstform, deren Wurzeln in dem alten Dorf Raghurajpur im Distrikt Puri liegen

Indiens künstlerisches Erbe ist reich und vielfältig und fast jede Region des Landes verfügt über ihre eigenen, ganz besonderen kreativen Ausdrucksformen – von der Madhubani-Malerei in Bihar und der Warli-Kunst in Maharashtra bis zur Miniaturmalerei in Rajasthan. Zu den ältesten, lebhaftesten einheimischen Kunstformen zählt jedoch die Kunstform Pattachitra (Patachitra) aus Odisha, die auch der indische Premierminister Narendra Modi in seiner jüngsten Ansprache an die Nation, Mann Ki Baat, erwähnte. Pattachitra hat seine Wurzeln in dem kleinen Dorf Raghurajpur im Distrikt Puri in Odisha, das zu den wenigen gehört, in denen sich jedes Dorfmitglied an dem traditionellen Kunsthandwerk beteiligt. Fast jedes Haus im Dorf ist ein Kunstatelier. Was Pattachitra von anderen unterscheidet, ist die perfekte, detailverliebte Darstellung in lebhaften Tönen und die jahrhundertealte Geschichte.Der Legende nach begann die Pattachitra-Kunsttradition mit der Errichtung des verehrten Jagannath-Tempels in Puri, weswegen die Darstellung des Jagannath-Tempels oder Thia Badhia eines der wiederkehrenden Motive in der Pattachitra-Malerei ist. Episoden aus der Hindu-Mythologie und den Hindu-Epen in hellen Farben sind seit jeher dominante Themen dieser Kunstform.

Almost every house in Raghurajpur village is an art studio with nearly all members of the family are engaged in the craft. And not just on the patta, chitrakars also paint on papier mache masks called kagaja mukha
Chitrakars bemalen nicht nur Patta, sondern auch Pappmaché-Masken namens Kagaja Mukha

Diese einheimische Kunst, deren Name sich aus den Sanskrit-Wörtern ‚Patta‘ (Tuch oder Leinwand) und ‚Chitra‘ (Malerei) ableitet, ist ein arbeitsintensiver Prozess und erfordert die absolute Konzentration des Chitrakar (wie Pattachitra-Künstler genannt werden). Sie beginnt mit der Herstellung des Patta, wofür in Wasser eingeweichte Tamarindensamen zerstoßen, mit Wasser vermischt und in einem Tontopf gekocht werden, bis die Masse zu einer pastösen Konsistenz einreduziert ist. Chitrakars verwenden diese Paste, um zwei Baumwolltücher aneinanderzukleben, und bestäuben diese mehrmals mit Lehmpulver, bis das Material steif ist. Das behandelte Tuch wird dann schlussendlich noch poliert, um es zu glätten, und kann dann bemalt werden.Für Chitrakars ist es ein Muss, den Ursprüngen treu zu bleiben, weswegen sie versuchen, Farben zu verwenden, die natürlich hergestellt wurden. Weiße Pigmente bestehen aus Muschelschalenpulver, Schwarz entsteht durch den Ruß einer Diya (Tonlampe), Rot wird entweder aus Hingula (einem Mineral) oder Geru (Erde) gewonnen und Gelb aus Harital (einer Steinart). Selbst die Pinsel werden von den Künstlern hergestellt.

Raghurajpur is also famous for the art of talapatachitra where intricate patterns and designs are delicately carved on dried palm leaves;
(links): Raghurajpur ist auch für die Talapatachitra-Kunst berühmt, bei der raffinierte Muster und Designs vorsichtig in getrocknete Palmenblätter geritzt werden; (rechts): Auch Kokosnüsse werden bemalt und zu dekorativen Zwecken verwendet

Wie bei jedem Malereistil sind auch bei Pattachitra auffallende Figuren ein charakteristisches Merkmal. Laut einem von der Regierung von Odisha veröffentlichten Artikel mit dem Titel „Patta Chitra – Vergangenheit und Gegenwart“ sind „die menschlichen Figuren generell frontal dargestellt, und auch wenn Gesichter und Beine von der Seite gezeigt werden, werden die verlängerten Augen wieder frontal dargestellt. Die verschiedenen Charaktere werden mit typischer Frisur, Kleidung, Schmuck, Bart bzw. Schnurrbart gemalt….“ Ein weiteres typisches Merkmal sind die kunstvollen und raffinierten Muster, die entlang der Ränder des Patta aufgebracht werden. Seit seinen Anfängen als Kunstform, die traditionell auf behandeltem Tuch aufgetragen wurde, hat sich Pattachitra enorm verändert. Heute wird es auf dekorativen Gegenständen wie Flaschen, Kesseln, Steinen und Glühbirnen sowie auf Tussarseide aufgebracht.

 Raghurajpur
Ein Mann betet ein überlebensgroßes Wandbild von Lord Jagannatha im Hintergrund an

Pattachitra bleibt bestehen und unterliegt keiner Mode und Raghurajpur ist weiterhin nicht Wächterin der Kunst, sondern verbreitet sie auch. Das neu geweckte Interesse der indischen Kunstszene an einheimischer Kunst ermutigt die Pattachitra-Künstler, ihre Expertise zu vertiefen und den in- und ausländischen Markt zu bedienen, was wiederum PM Modis Missionen ‚Vocal for Local‘ und ‚Aatmanirbhar Bharat‘ stützt.

Bhagyasri Sahoo

Bhagyasri Sahoo ist autodidaktische Pattachitra-Künstlerin aus Odisha, die von dem indischen Premierminister Narendra Modi bei einer seiner monatlichen Radioansprachen lobend erwähnt wurde. Sie lebt in Rourkela, studiert derzeit Ingenieurswesen in Dhenkanal und malt in ihrer Freizeit.
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