Die Kunst des Blockdrucks
Indische Designer erwecken die alte Kunst des Blockdrucks wieder zum Leben, indem sie innovative Designs und Produkte verwenden und zur Bewahrung des Kulturerbes der Dörfer in Rajasthan beitragen
Bagru, rund 30 km von Jaipur entfernt, ist ein kleines indisches Dorf mit sich dahinschlängelnden Gassen, gesäumt von einfachen Häusern, in dem die Türen kaum jemals geschlossen und die Nachbarn eher wie Familienmitglieder sind. Was in Bagru jedoch auffällt, sind die Farbtupfer an den Häusern und in den Straßen, wo lebhaft bunte und bedruckte Stoffbahnen an Dächern und Wänden hängen und in der Sonne trocknen. Dies ist das Zentrum des Bagru-Drucks, einer der berühmtesten Handblockdrucktraditionen in Indien. Hier werden Werkstätten von Mitgliedern der Chippa-Gemeinschaft geführt, die weiterhin Baumwolle und manchmal Seidenstoffe mit handgeschnitzten Holzblöcken bestempeln, die in Farbe getaucht werden – eine 300 Jahre alte Kunstform, die von ihren Vorfahren überliefert wurde. In einem weiteren kleinen Städtchen, Sanganer in rund 30 Kilometern Entfernung, wird ein ähnliches Kunsthandwerk praktiziert.

„In den heißen Sommermonaten waren diese weichen Baumwollstoffe mit den raffinierten Drucken in natürlichen Farben beliebt bei den königlichen Familien von Rajasthan und den Mughals in Delhi“, erklärt die Modedesignerin Niki Mahajan aus Delhi, die viel mit dieser Kunst arbeitet. Sie bedauert allerdings, dass die Drucker, nachdem diese Technik arbeits- und zeitintensiv ist, angefangen haben, Siebe zu verwenden, um größere Stoffmengen auf einmal bedrucken zu können, und zu computerunterstützten digitalen Drucken übergegangen sind. Heute ist diese Tradition beliebt bei Designern, die mit Farben, Farbstoffen und -techniken experimentieren, um innovative Modelinien und Einrichtungsgegenstände zu entwerfen.
Mahajan, die Stores in großen indischen Städten und sogar in den USA betreibt, stellt seit 26 Jahren Damen- und Herrenmode mit Blockdruck her. „Bei dieser Technik nimmt der Drucker eine eckige, halb mit Wasser gefüllte Schuhschachtel und ein Stück gespanntes Leder, auf das er verschiedene Stoffschichten aufbringt, so dass dies einen dicken Block ergibt. Darauf wird die Paste aus Schlamm, Zink und Farbe aufgetragen“, erklärt Mahajan. „Wir drucken mit dem Schlamm und anschließend wird der Stoff gedämpft und gewaschen, um die Farbe und den Schlamm zu entfernen. Die Farbe wird ‚verschoben‘ – das heißt, wenn wir einen schwarzen Stoff in rot bedrucken, dringen der Schlamm, Zink und Farbstoff ein und verschieben die Farbe ins Rote“, erläutert sie. Mahajan erklärt, dass ihr Rezept zur Herstellung des Schlammabdeckmittels ein geschütztes Geheimnis ist. „Wir geben die Rohstoffe, die wir verwenden, nicht preis“, meint sie. „Außerdem verändert die Temperatur die Farbe. Eine Farbe, die im Sommer bei 40 Grad C gedruckt wird, unterscheidet sich von einer im Winter bei 6 Grad C.“ Laut den Einheimischen stand in Sanganer immer frisches Wasser zur Verfügung und die Drucker verwendeten große Mengen davon für den Druck und die Wäsche. In Bagru hingegen, wo das Wasser knapp war, entschieden sich die Drucker für das Resist-Färben. All diese natürlichen Elemente sorgen dafür, dass sich jedes Kleidungsstück von anderen unterscheidet.

„In unserer letzten Kollektion haben wir den Sanganeri-Blockdruck mit anderen Kunstformen kombiniert und mit den Stoffen experimentiert. So haben wir beispielsweise in einem Sari den Blockdruck mit Kalamkari aus Andhra Pradesch auf einem Seiden-Georgette-Stoff gemixt“, sagt er. Der Druck spielt auch eine ähnlich große Rolle in der Kollektion der Designermarke Asha Gautam, deren Store in Neu Delhi voller individueller Saris, Lehengas und Anarkalis mit traditionellem Blockdruck ist. Für diese Marke arbeiten Mutter und Sohn – Asha und Gautam Gupta – zusammen und beschäftigen mehr als 25 Blockdrucker aus Rajasthan. „Wir haben auch ein großes Team, das für uns die Stickereiarbeiten anfertigt. Diese Kunsthandwerker produzieren nicht nur die einzigartigsten Designs für unsere Kollektionen, sondern unser Design-Input hilft ihnen auch, sich weiterzuentwickeln“, erklärt Gautam.
In Jaipur, wo die meisten Blockdrucktextilien verkauft werden, ist sogar der Adel davon überzeugt, dass dieses Vermächtnis bewahrt werden muss. Zwei Designer der früheren königlichen Familien von Baria in der Nähe von Ajmer und Danta im Distrikt Sikar haben vor kurzem ihre Kollektionen bei der Royal Fables Ausstellung in Vadodora präsentiert. Jaykirti Singh aus Baria, die Läden in Neu Delhi, Jaipur, Mumbai und Indore betreibt, besitzt eine Sammlung aus 1.000 Holzblöcken und gestaltet seit 20 Jahren Kleidungsstücke mit Blockdruck, wofür sie 35 Kunsthandwerker beschäftigt. „Ich möchte dieses einzigartige Kunsthandwerk aus meiner Heimat bewahren. Ich bilde junge Männer aus, damit das Interesse bestehen bleibt und das Handwerk überlebt“, erzählt Singh.

Richa Rajya Lakshmi aus Danta erklärt, dass sie versucht, ihre Arbeit als Designerin an die Tradition anzupassen. „Alle meine Stücke sind weiß, da Blockdruck ursprünglich auf weißem Stoff ausgeführt wurde. Ich färbe den Stoff nicht – ich füge durch die Blöcke Farbe hinzu. Ich entwerfe meine eigenen Blöcke und mische traditionelle Muster mit solchen, die von Bildern indischer Festungen und Paläste inspiriert sind“, so Rajya Lakshmi. Der Blockdruck aus Rajasthan ist nicht einfach nur eine Form der Textilverschönerung, sondern ein Kulturerbe, das gefördert und für die Nachwelt erhalten werden muss. Glücklicherweise steigt mit der Innovationsfreude der Designer auch die Nachfrage nach handgedruckten Produkten und die Kunden in aller Welt sind empfänglicher, was die Fertigkeiten der Künstler angeht – somit werden die Blockdrucker aus Sanganer und Bagru auch in den nächsten Jahren noch Muster auf Stoffe pressen.