Kunst

Musik in der Pandemie

Heft 03, 2020

Musik in der Pandemie

Ishita Goel |Autor

Heft 03, 2020


Auch wenn schon viele Schlachten mit der richtigen Strategie und Mut gewonnen wurden, wurde der ständige Konflikt zwischen Hoffnung und Enttäuschung oftmals durch ein viel subtileres Mittel aufgelöst – die Musik. Selbst in der derzeitigen beispiellosen Zeit sind die beruhigenden Klänge durch digitale Konzerte eine Motivation für Musiker, Musikfans und die Musikbranche

Als in diesem Jahr am 21. Juni der Internationale Yoga-Tag weltweit virtuell mit dem Motto ‚Ghar-ghar se yoga‘ (Yoga aus der Heimat) begangen wurde, feierten Musikfans aus aller Welt zeitgleich den World Music Day und erlebten mit verschiedenen Online-Live-Konzerten während des Tages die virtuelle Kraft der Musik. In Indien nahmen Musiklegenden wie der Rajasthani-Volkssänger Mame Khan und die Rockband Parikrame an Shows teil, die Tausende im ganzen Land streamten. Während die Welt gegen die COVID-19-Pandemie kämpft und die globale Musikbranche wie so viele andere in einer schweren Krise steckt, bietet sich die Musik zur Problembewältigung an. In Indien wurden Aufnahmen verschoben und Events storniert und die Branche ist auf der Suche nach Alternativen. Die offensichtlichsten Optionen scheinen Online-Events, virtuelle Konzerte und Live-Streams zu sein. Allmählich werden sie für Musiker und Musikliebhaber zur neuen Normalität.

ONLINE-KONZERTE

Alles begann am ersten Tag des landesweiten Lockdown am 25. März, als der Sitar-Spieler Shubhendra Rao und seine Frau, die Cellistin Saskia Rao de Haas, beschlossen, den Zuhörern von ihrem Haus in Delhi aus ein Ständchen in Form von Bhimpalasi, einem passenden Nachmittags-Raga (klassische indische Musik), zu geben. Jeder, der zur geplanten Zeit ihre Facebook-Seite besuchte, konnte den beruhigenden Klängen lauschen. Ein weiterer Schritt hin zu Online-Konzerten erfolgte während des ‚Janta Curfew Online Festivals‘ am 22. März, das von Anil Srinivasan, einem Pianisten aus Chennai, organisiert wurde. Srinivasan rief Tänzer, Musiker, Dichter, Schauspieler, Autoren und andere Künstler dazu auf, „das Publikum kreativ einzubinden“. Später gab der Musiker Prateek Kuhad auf diversen Social Media-Plattformen wie Facebook und Instagram ein Konzert und spielte einige seiner neu komponierten Lieder.

Sitar-Maestro Shubhendra Rao trat als erster mit einer Online-Interpretation des Raag Bhimpalasi virtuell auf

Am 22. April gab Ricky Kej, ein Grammy-preisgekrönter indischer Komponist und Produzent, ein Online-Konzert, das geschätzte 89 Millionen Menschen in aller Welt sahen. „Ich habe mich in der Tat gefragt, wie wir es schaffen würden, unsere Energie und unseren Schwung aufrecht zu erhalten, während dieses virtuelle Konzert komplett zuhause gefilmt wurde und es überhaupt kein Feedback von Seiten des Publikums gab. Ein digitales Konzert mit einem riesigen Publikum wie dieses ist eine neue Erfahrung, aber ich bin sehr glücklich über das Ergebnis. Es stehen mehrere große virtuelle Konzerte an und wir rechnen mit einem enormen Anstieg der Zuschauerzahlen“, so Kej.

I FOR INDIA

Die indische Unterhaltungsbranche und Facebook hatten sich zusammengetan, um eines der möglicherweise bedeutendsten digitalen Konzerte zu organisieren: ‚I for India‘. Einige der führenden Künstler und Persönlichkeiten aus Indien und dem Ausland, von Musikern bis zu Schauspielern/Sängern, beteiligten sich an diesem virtuellen Konzert, mit dem Gelder für den Kampf gegen Corona gesammelt werden sollten. Von Shah Rukh Khan, Amir Khan, den Jonas-Brüdern und Priyanka Chopra bis zu Hollywood-Größen wie Mick Jagger, Will Smith und Sophie Turner versammelten sich alle zu einem vierstündigen Konzert, bei dem fast 30 Mio. INR gespendet wurden.

Nicht nur moderne Stars begeben sich auf die virtuelle Ebene. Auch die Society for the Promotion of Indian Classical Music and Culture Amongst Youth (SPIC MACAY) zog am 1. Juni mit dem Anubhav Fest nach. Das einwöchige Online-Programm für junges Publikum beinhaltete zahlreiche Workshops in den Bereichen Musik, Tanz und Kunsthandwerk, gefolgt von integrativen Sitzungen mit Yoga-inspirierten beruhigenden Therapien und kulturellen Vorführungen. Bei Anubhav organisierten mehr als 100 Künstler Workshops und Vorführungen, darunter der Flöten-Maestro Pandit Hariprasad Chaurasiya, der Meistersänger Pandit Jasraj, die Tänzerin Vyjayanthi Kashi und der indische Dichter Javed Akhtar.

Indiens Cricket-Teamkapitän Virat Kohli spricht auf dem virtuellen ‚I For India‘ Konzert, um Gelder für diejenigen zu sammeln, die gegen Corona kämpfen

VIRTUELL IMMERSIV

Nachdem Live-Streams immer mehr Follower anziehen, scheint ein komplett neues Geschäftsfeld zu entstehen. Kreative Unternehmen wie Digital Jalebi füllen diese neu entstandene Lücke mit interaktiven technologischen Medien wie Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR), Animation, 3D-Modellierung etc., durch die sie ein verbindendes Musikerlebnis erschaffen. Eine unbegrenzte Nutzeranzahl kann sich zur vorgesehenen Zeit in das Konzert oder die Session einloggen und sich daran erfreuen. „Wir möchten persönliche Erlebnisse in virtuelle und immersive umwandeln, die das Gefühl eines realen Konzerts zuhause vermitteln“, meint Fawaz Syed, Mitgründer von Digital Jalebi.

Legendäre indische Interpreten wie Pt Jasraj und Pt Hariprasad Chaurasiya haben sich mit SPIC MACAYs Anubhav-Fest der digitalen Initiative angeschlossen

Interessanterweise sind nicht alle dieser digitalen Konzerte kostenlos. Im Mai gaben die beliebten Musiker Harish Sivaramakrishnan, Sithara Krishnakumar and Job Kurian aus Kerala live das E-Konzert ‚Intersect‘ vor einem Publikum, das Eintritt bezahlt hatte.

MUSIK OHNE GRENZEN

Zweifellos unterliegen reale Konzerte physischen Beschränkungen; virtuelle Konzerte jedoch durchbrechen Grenzen zwischen Künstlern aus verschiedenen Ländern, die zusammenarbeiten und in Musik-Sessions das Kulturerbe ihrer Nationen mit der Welt teilen. Das indisch-französische Kulturzentrum Alliance Française de Delhi streamte sein virtuelles Konzert live am 21. Juni. Es bestand aus zwei außergewöhnlichen Auftritten des französischen Pianisten Olivier Moulinand und des Mutter-Sohn-Duos, das aus der Cellistin Saskia Rao-de-Haas aus Delhi und dem 14-jährigen musikalischen Wunderkind Ishaan Leonard Rao besteht. Während wir gespannt warten, was die Zukunft bringt, ist die dynamische Musikbranche auf die Online-Welt vorbereitet, um mit Technologien zu experimentieren und Zuhörern und Musikfans das optimale Erlebnis zu liefern.

Ishita Goel

Ishita Goel ist Journalistin aus Neu Delhi. Nach kurzer Tätigkeit für den Indian Express schreibt sie nun über das indische Kulturerbe und aktuelle Angelegenheiten
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