Fortschritt

Hirse, das Super-Power-Getreide

Heft 02, 2021

Hirse, das Super-Power-Getreide

Rajeev K Varshney |Autor

Heft 02, 2021


Vor kurzem nahm die UN-Generalversammlung eine von Indien gesponserte Resolution an, um 2023 zum Internationalen Jahr der Hirse zu erklären. Wir beschäftigen uns mit der indischen Hirseproduktion, ihrem Nährwert und der Förderung der Hirse und ihres Anbaus durch die indische Regierung

Super-Getreide, Super-Food oder Wunderkörner sind einige der häufigen Beschreibungen für die Hirse, einem der ältesten Getreide der Menschheit und wahrscheinlich das erste, das für den Hausgebrauch verwendet wurde. Die einstimmige Annahme der Resolution für die Ausrufung des Jahres 2023 zum Internationalen Jahre der Hirse durch die UN-Generalversammlung (UNGA) ging auf einen von Indien gesponserten Vorschlag von mehr als 70 Nationen zurück. Dies unterstreicht die Unterstützung der Weltgemeinschaft für die Anerkennung der Bedeutung und Vorzüge dieses Getreides für das weltweite Nahrungsmittelsystem. Indiens ständiger UN-Vertreter, Botschafter TS Tirumurti erklärte zu diesem Thema: „Es besteht dringender Bedarf, bei Verbrauchern, Produzenten und Entscheidungsträgern Werbung für die Nährwert- und ökologischen Vorzüge der Hirse zu machen, um die Produktionseffizienz, die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung und die Verknüpfungen im Lebensmittelsektor zu verbessern.“In Indien wurden an den archäologischen Stätten in Harappa und Mohenjo-daro Spuren von Hirse und diverse alte indische Schriften gefunden, die sich auf die Hirse beziehen. Viele Jahre lang war Hirse Bestandteil des täglichen Ernährungsplans. Heutzutage erkennen immer mehr indische Bauern, dass der Hirseanbau weniger Einsatz erfordert und vor allen in rauen und trockenen Umgebungen auch eine wirtschaftlich sinnvolle Option ist. Gestützt wird dies durch neue Erkenntnisse zu ihren gesundheitlichen Vorzügen. Außerdem hat die indische Regierung in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, um den Hirseanbau zu fördern. Die von Premierminister Narendra Modi angeführte Unionsregierung von Indien hatte 2018 zum Nationalen Jahr der Hirse ausgerufen, um die Produktion des nährstoffreichen Getreides anzukurbeln.

bell peppers stuffed with millets and chickpeas
Paprikaschoten, gefüllt mit Hirse und Kichererbsen

Smart food

Hirse ist für Millionen Trockenfeld-Kleinbauern in ganz Asien ein wichtiges Getreide-Grundnahrungsmittel. Zu diesen essbaren oder Trockenfeld-Getreidearten, die zahlreiche Nährstoffvorzüge bieten, zählen Sorghum (jowar), Perlhirse (bajra), Fingerhirse (ragi), Kolbenhirse (kangni), Rispenhirse (chena), Hühnerhirse (samvat ke chawal) und Kodo-Hirse (kodon). Hirse wird auch als ‚Smart Food‘ bezeichnet. So enthält beispielsweise Fingerhirse dreimal so viel Kalzium wie Milch, und die meisten Hirsesorten bieten sehr viel Eisen und Zink, einen niedrigen glykämischen Index, hohe Protein- und Ballaststoffwerte und sind glutenfrei.Hirse kann darüber hinaus zur Bekämpfung einiger der größten globalen Probleme beitragen: schlechte Ernährungsgewohnheiten (von Unterernährung bis zu Fettleibigkeit), Umweltprobleme (Klimawandel, Wasserknappheit und Umweltzerstörung) sowie ländliche Armut. Sie hat einen geringen CO2-Fußabdruck und kann in warmem Klima mit sehr wenig Wasser überleben und wachsen. Sie passt sich an die Klimabedingungen an und stellt daher auch eine gute Risikomanagement-Strategie für Bauern dar.

Finger millet (ragi) dosa
Fingerhirse- (Ragi-)Dosa gehört zu den beliebtesten Hirsegerichten

Hirse aus Indien an vorderster Stelle

Die Anstrengungen zur Förderung der indischen Hirse im Ausland begannen im Oktober 2017 während der Tagung des Ausschusses für Ernährungssicherheit in Rom. Die Welternährungsorganisation FAO organisierte eine Reihe von Meetings, zu denen die indische Regierung, die Landwirtschafts-Forschungseinrichtung ICRISAT (International Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics) und andere Beteiligte eingeladen waren. Ziel war es, den Prozess der Hirseförderung bei den FAO-Abteilungen und in der indischen Botschaft in Rom festzulegen. Im Anschluss an diesen ersten Schritt schrieb der damalige Unions-Landwirtschaftsminister Radha Mohan Singh im November 2017 an UN-Generalsekretär Antonio Guterres und bat um die Einbeziehung des Vorschlags für ein Internationales Jahr der Hirse in die Agenda der UN-Generalversammlung 2018. Zwar kann dieser Prozess durchaus fünf Jahre dauern, jedoch wurde er durch die GOI, die ICRISAT, die Consultative Group on International Agricultural Research (CGIAR), den Indian Council of Agricultural Research (ICAR) des Landwirtschaftsministeriums und die Hirseforschungsinstitute (IIMR) unterstützt, was 2021 zum Erfolg führte. Es ist ermutigend zu sehen, dass die Welt über die Ausbeutung natürlicher Ressourcen wie Ackerflächen und Wasser und die dringende Notwendigkeit spricht, mehr zu produzieren, um den Bedarf der wachsenden Bevölkerung an Lebens- und Nahrungsmitteln zu decken. Essbare Getreidearten wie Reis und Weizen verbrauchen bekanntermaßen extrem viel Wasser, was ein Auftrag an unsere Bauern, Verbraucher und Entscheidungsträger ist, nach Möglichkeiten zu suchen, wie unsere Anbausysteme diversifiziert werden können. Hirse erfüllt diese Voraussetzung.

bowl of healthy sorghum (jowar) salad
eine Schüssel gesunder Sorthum- (Jowar-)Sala

Leicht anzubauen

Hirse verträgt Dürre, hohe Temperaturen und weitere Tücken des Klimawandels und wird in Indien meist auf wenig fruchtbarem Land, in bergigen und regenreichen Stammesgegenden wie Andhra Pradesh, Chhattisgarh, Gujarat, Haryana, Madhya Pradesh, Odisha, Rajasthan, Maharashtra, Karnataka, Uttar Pradesh, Tamil Nadu und Telangana angebaut. Laut Daten der FAO liegt die globale Hirseproduktion bei 90 Millionen Tonnen, wovon der Anteil Indiens rund 19 Millionen Tonnen beträgt. Da die Produktivität bei den meisten Hirsearten allerdings sehr niedrig ist, bemühen sich verschiedene indische und internationale Organisationen, die Ernteproduktivität durch multidisziplinäre Ansätze zu erhöhen. So entschlüsselte beispielsweise das Pearl Millet Genome Sequencing Consortium, das 30 Institutionen umfasst, das Erbgut der Perlhirse und identifizierte die Gene für Dürre- und Hitzetoleranz, die nicht nur für Hirse, sondern möglicherweise auch für andere wichtige Getreidearten nützlich sind. Diese Untersuchungen haben zur Entwicklung mehrerer ertragreicher Hybridsorten und zur Optimierung diverser Hirsesorten geführt, die von Bauen in Indien angebaut werden.

Mission Hirse

Auf nationaler Ebene fördert die indische Regierung gemäß den Empfehlungen eines NITI Aayog-Komitees den Anbau von Hirse in Form einer Mission, um Ernährungssicherheit zu erreichen. Der indische Premierminister Narendra Modi ließ am 16. Oktober 2020 17 gentechnisch optimierte Varianten von acht Nutzpflanzen zu, wozu auch zwei Fingerhirse- und eine Kleinhirsesorte zählen. Im Rahmen der Regierungsinitiative für den National Food Security Act wurden acht Bundesstaatsregierungen angewiesen, Hirse zu einem Mindeststützpreis zu beschaffen und gemäß dem öffentlichen Verteilsystem (PDS) auszugeben. Indiens nationale Ernährungsmission POSHAN Abhiyaan hat den Bundesstaatsregierungen ebenfalls empfohlen, Hirse in die großen öffentlichen Lieferkanäle wie Integrated Child Development Services, Mid-Day Meals etc. zu integrieren. Während Regierung und Forschungsorganisationen sich um eine höhere Hirseproduktivität bemühen, machen Ernährungswissenschaftler und Köche Werbung für Hirse, indem sie besondere Hirserezepte kreieren. Einfache Zubereitungsweisen für Hirse und unkomplizierte, köstliche Hirserezepte werden kommuniziert, ebenso wie ihre Nährstoffvorzüge und Umweltfreundlichkeit. Der UN Food Systems Summit 2021 bietet außerdem eine weitere Gelegenheit, das Nahrungsmittelsystem nachhaltig und widerstandsfähig zu gestalten. Das Jahr 2023 als ‚Internationales Jahre der Hirse‘ wird all diese Anstrengungen sicherlich weiter stützen und Hirse zu einem beliebten und gesunden Nahrungsmittel für alle machen.

Chefs often use millets as a replacement for rice.
Eine Schüssel mit gebratener Kolbenhirse (Kangni), zubereitet wie gebratener Reis

Rajeev K Varshney

Prof. Rajeev K Varshney ist Leiter des Forschungsprogramms am International Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics (ICRISAT), Hyderabad, Indien, und Lehrbeauftragter am Food Futures Institute der Murdoch University in Australien. Er ist gewähltes Mitglied von mehr als einem Dutzend Akademien/Gesellschaften in Indien, Deutschland, USA etc. Mitarbeiter bei diesem Artikel: Joanna Kane-Potaka, Arabinda Padhee, Nilesh Mishra, Rohit Pilandi und Geetika Sarin.
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