Erbe

Verlorene und wiedergefundene indische Schätze

Heft 01, 2021

Verlorene und wiedergefundene indische Schätze

Juhi Mirza |Autor

Heft 01, 2021


In den letzten Jahren konnte Indien immer wieder einige alte, kulturell bedeutsame Artefakte zurückholen, die illegal aus dem Land entwendet worden waren. Wir betrachten einige der zurückgeholten Stücke und ihre Bedeutung

Im letzten November hatte der indische Premierminister Narendra Modi bekanntgegeben, dass eine alte Statue der Devi Annapurna, die vor ungefähr hundert Jahren aus Varanasi in Uttar Pradesh gestohlen worden war, von Kanada zurück in ihr Herkunftsland transportiert wird. Die Statue der Göttin soll aus dem 18. Jahrhundert stammen und im Benaras-Stil geschnitzt sein. Ihre Rückkehr ist ein großer Erfolg für die Bemühungen Indiens um seine alten Schätze – eine Mission, an deren vorderster Front Premierminister Modi steht. „Alle Inder werden stolz sein, dass eine sehr alte Statue der Devi Annapurna von Kanada nach Indien zurückkehrt… Die Rückkehr ist für uns alle erfreulich.

Genauso wie die Statue der Mata Annapurna sind leider zahlreiche unschätzbare Kunstwerke durch die Hände internationaler Verbrecherbanden gegangen“, so der Premierminister. Indiens archäologische Schätze werden seit jeher geplündert, und so sind einige seltene Antiquitäten in aller Welt verteilt. Unter der Leitung von Premierminister Modi wurde die Initiative, sie wieder nach Hause zurückzuführen, wiederbelebt und in eine Mission verwandelt. Das Außenministerium bemüht sich gemeinsam mit den Strafverfolgungsbehörden aktiv um die Rückholung indischer Artefakte, und einige Stücke sind aus verschiedenen Ländern wie den USA, Australien, Großbritannien, Kanada und Deutschland zurückgekommen. Wir stellen Ihnen hier einige vor, die erfolgreich wieder in ihrem Heimatland angekommen sind. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben in den letzten Jahren einige Antiquitäten an Indien zurückgegeben. Eine der wichtigsten Rückgaben war die der Bronzefigur von Manikkavachakar, einem Heiligen, der in der Chola-Dynastie Schutz gesucht hatte (9.-13. Jahrhundert n. Chr.) Die Figur wurde anscheinend aus einem Tempel im Dorf Sripuranthan im Distrikt Ariyalur in Tamil Nadu gestohlen. Sie wurde von den amerikanischen Behörden im Jahr 2015 gefunden und zurückgegeben.

Eine Statue der Mahishasuramardini aus Gangaikondacholapuram in Tamil Nadu, welche der Mahishasuramardini-Figur ähnelt, die Deutschland Indien 2015 zurückgegeben hatte

Eine weitere, von den USA zurückgegebene Statue ist die von Manjusri, einem Bodhisattva, der mit dem Mahayana-Buddhismus in Verbindung steht. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und zeigt Manjusri, der ein Schwert und eine Lotusblüte hält. In der Geschichte des Buddhismus ist es von großer Bedeutung, da das Schwert Bodhisattvas Absicht symbolisiert, den Nebel der Illusion zu lüften und für Licht zu sorgen. Die Statue wurde wohl Ende der 1980er aus einem Tempel in Bodh Gaya in Bihar gestohlen. Im Jahr 2018 gab sie das Auckland Art Museum der Universität von North Carolina zurück. Mit der Figur von Manjusri wurde auch eine Granitstatue von Lord Shiva zurückgeben. Die legendäre Shiva Linga geht auf das 12. Jahrhundert zurück. Sie wurde in Tamil Nadu gestohlen und war im Birmingham Museum in Alabama ausgestellt.Im November 2020 gaben die britischen Behörden drei Bronzestatuen von Lord Rama, Lord Lakshmana und der Göttin Sita an Indien zurück. Sie stammen aus der Vijayanagar-Herrschaft (1336-1646), wurden in den 1970ern aus einem Tempel im Distrikt Nagapattinam in Tamil Nadu gestohlen und befanden sich bei einem Privatsammler in London.

Ein Besucher betrachtet ein antikes indisches Goldetui aus Goa im Metropolitan Museum of Art in New York City

Ein weiteres wertvolles Artefakt, das Großbritannien letztes Jahr an Indien zurückgab, ist eine alte Lord Shiva-Statue, die aus dem Ghateshwar-Tempel in Baroli, Rajasthan gestohlen worden war. Sie zeigt Lord Shiva in der Chatura Nataraja-Pose und geht auf das 9.-10. Jahrhundert zurück. Das indische Hochkommissariat in London spielte eine aktive Rolle bei der Rückholung dieses unschätzbaren Kunstwerks, das sich im Besitz eines Privatsammlers befunden hatte.Auch Kanada hat in den letzten Jahren mehrere alte Kulturgüter an Indien zurückgegeben. Hierzu gehört die Figur der „Papageiendame“. Die Sandsteinstatue einer Frau, die einen Papagei hält, ist fast 900 Jahre alt und zeigt Aspekte des Alltagslebens im alten Indien. Der ehemalige kanadische Premierminister Stephen Harper gab die Skulptur, die sich im Besitz eines Privatsammlers befunden hatte, während des Besuchs des indischen Premierministers Modi in Kanada 2015 zurück. Neben anderen Artefakten aus der Chola-Dynastie wurden die Bronzefiguren von Nataraja und Ardhanarisvara von Australien zurückgegeben. Sie gehen auf das 11. Jahrhundert n. Chr. zurück. Ardhanarisvara ist eine Kombination aus Lord Shiva und der Göttin Parvati in einer halb-weiblichen/halb-männlichen Figur. Auch ein Steinrelief zweier Dwarpalas (mythische Tempelwächter) kam aus Australien zurück, ebenso wie eine Steinstatue von Nagaraja (des Schlangenkönigs) aus der Zeit zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert.

In ebenso begrüßenswerter Weise gab Deutschland während des Besuchs der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Indien 2015 ein Kunstwerk aus der indischen Geschichte zurück. Die Statue der Mahishasuramardini, einer Form der Göttin Durga, aus dem 10. Jahrhundert wurde vor über 20 Jahren aus einem Tempel in Kaschmir gestohlen.Im Laufe mehrerer Jahrzehnte hat Indien Tausende Kunstwerke von kultureller Bedeutung verloren. In den letzten Jahren hat sich die indische Regierung unablässig um deren Rückholung bemüht. Die Aufzeichnungen der Archaeological Survey of India (ASI) zeigen, dass die Regierung zwischen 2014 und 2020 14 Kunstobjekte zurückholen konnte und bei 75-80 Kunstwerken steht dies kurz bevor. Diese unschätzbaren, an Indien zurückgegebenen Artefakte werden nun in Bezug auf ihre Ursprünge und ihr Alter untersucht, was eine Bereicherung für unsere Geschichte und Kultur darstellt. Dr. BR Mani, ehemaliger Generaldirektor des National Museum in Neu Delhi, meint: „Aufgrund der Anstrengungen von Premierminister Narendra Modi und seiner Betonung, wie wichtig es ist, das nationale Volksgut und die Kultur zu bewahren, ist die Rückgabe verlorener Schätze und der Austausch von Kulturgütern zwischen den Nationen richtig in Fahrt gekommen. Dieser Prozess führt dazu, dass andere Länder Indien als kulturelle Ikone betrachten.“ Der Vorgang, historisch bedeutsame Kunstwerke zurückzuholen und die Lücken in der Geschichte zu füllen, ist besonders wichtig, um ein Gefühl der kulturellen Integration zu erzeugen. Kulturell relevante Artefakte sind ein untrennbarer Bestandteil des indischen Kulturerbes und spielen eine wichtige Rolle bei der Definition des historischen Kontexts des Landes. Diese Antiquitäten haben nicht nur dazu beigetragen, Indiens beeindruckende Vergangenheit wiederaufleben zu lassen, sondern auch den Aufbau und die Stärkung stabilerer kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Beziehungen zu anderen Ländern und ihren Bevölkerungen unterstützt.

Juhi Mirza

Juhi Mirza hat einen Master-Abschluss in Archäologie und schwärmt für alles Antike. Sie interessiert sich sehr für die Kulturen und Traditionen Indiens und der Welt und hat zahlreiche Reisen unternommen, um antike Ruinen und Kulturen zu dokumentieren
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