Khavanu, peevanu ne majha ni life jeevanu
Die Parsi-Küche ist tief in Traditionen und Kultur verwurzelt, hat sich aber im Lauf der Jahre mit lokalen Nuancen weiterentwickelt
„Khavanu, peevanu ne majha ni life jeevanu (Essen, trinken und glücklich leben)“ – nach diesem uralten Sinnspruch lebt man in der Parsi-Gemeinschaft. Parsis sind in sozialer wie auch kulinarischer Hinsicht eine geschichts- und traditionsträchtige Gemeinschaft. Sie sind stolz darauf, in Harmonie zu leben und sich in das jeweilige, in der Umgebung vorherrschende Ethos einzufügen. Gemäß der Legende und Geschichte kamen die Parsis nach Sanjan, Gujarat, nachdem sie aus dem Iran geflohen waren. Sie stellten sich beim König vor und ein Parsi-Priester bat um eine bis zum Rand gefüllte Schüssel und etwas Zucker. Der Priester vermischte den Zucker mit der Milch, ohne einen Tropfen zu verschütten, und versprach dem König, dass sich die Parsis in genau derselben Weise mit der örtlichen Gemeinschaft mischen und deren Leben versüßen würden. Bereits damals verwendeten sie also Lebensmittel, um ihren Standpunkt klarzumachen!

Die Parsis waren erfolgreich und verbreiteten sich überall in Indien, wobei sie Harmonie ausstrahlten und sich an die örtliche Kultur anpassten. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung ihrer Küche. Sie sind, was Feste angeht, ihren Traditionen treu geblieben, haben sich aber auch an die Gesellschaft und Gebräuche vor Ort angepasst. Zu den wichtigsten Parsi-Festen zählt die Frühlings-Tagundnachtgleiche, auch Navroze genannt. Sie wird am 21. März gefeiert und steht laut den Parsis für den Beginn eines neuen Jahres. Die tatsächliche Zeit der Sonnenwende wird im Iran erfasst und diese Information wird in die ganze Welt geschickt.Der Tag beginnt mit Süßigkeiten wie Ravo (Grießpudding) oder Sev (ein Vermicelli-Dessert). Zum Mittagessen gibt es üblicherweise Pulao Daar (die Parsi-Version eine Lamm- oder Hühnchen-Biryani, serviert mit würzigem Linsencurry) oder Dhun Daar Ne Patio (Reis, Daal und ein süß-saures Fischcurry). Fisch gilt in der Parsi-Kultur als glücksverheißend – man findet auf einer traditionellen Tafel immer auch Süßigkeiten, die wie ein Fisch geformt sind.

Eine wunderschöne Tradition der Parsis in Indien ist das Decken des Navroze-Tischs. Hierbei kommen ein weißes Tischtuch und zahlreiche Lebensmittel – alle mit tieferer Bedeutung – auf den Tisch. Dazu zählen sieben Lebensmittel, die mit dem Buchstaben ‚S‘ beginnen: Sirka (Essig), Sumac (Gewürz), Samanu (Halwa), Sib (Apfel), Sir (Knoblauch), Senjed (Sporapfel) und Sabzi (Kräuter) – neben sieben Lebensmittel, die auf persisch mit ‚SH‘ beginnen: Sharab (Wein), Shakar (Zucker), Shir (Milch), Shirini (Bonbons), Shirberenj (Süßes), Shira (Sirup) und Shahad (Honig). Des Weiteren findet man auf dem Tisch bemalte Eier (ähnlich den berühmten Ostereiern), Obst, Trockenfrüchte, Gemüse und Getreide (was für Wohlstand steht). Die Hausherrin fordert die Gäste zu einem Blick in einen Spiegel auf, damit sie ein Jahr voller guter Reflexionen haben, bietet ihnen eine Münze für Wohlstand an und besprüht sie mit Rosenwasser, bevor sie sie an den Tisch geleitet.Das typischste Parsi-Gericht ist Dhan Saak, das aus Linsen, Gemüse, Lammfleisch und Gewürzen besteht und zu einem Synonym für die Parsi-Küche in aller Welt geworden ist. Es wird mit karamellisiertem Reis und Kachumbar (einem Zwiebel-Tomatensalat) serviert. Aber auch wenn Dhan Saak eine Leibspeise für die meisten sonntäglichen Mittagessen ist, wird es niemals zu besonderen Anlässen zubereitet. Zu einem traditionellen Festmahl gehören Pulao oder pikantes Hühnchen, serviert mit Kartoffelstroh (Salli Ma Marghi), einem Karotten-Trockenfrüchte-Pickle (Lagan Nu Achchar), Saariya (Papad), dünnen Chappatis (Fladenbrot) und Lagan Nu Custard (Parsi-Vanillecreme) als Dessert.

Die Parsi-Küche ist kulturell tief verwurzelt. Die bewährten Rezepte werden in den Familien seit Jahrhunderten von einer Generation an die nächste weitergegeben und im Lauf der Jahre modifiziert, wenn sie auch im Kern unverändert bleiben. Die Parsis bemühen sich, ihre Individualität und Einzigartigkeit zu pflegen, dies auch ihren Kindern zu lehren und ihnen das reiche kulturelle und kulinarische Erbe zu vermitteln – ein Erbe, das reich an Gewürzen und Aromen ist und den uralten Ursprung und moderne Adaptationen auf perfekte Weise mischt.