Die Aromen von Amdavad
ndiens erste UNESCO-Weltkulturerbestadt und die größte in Gujarat, ist ein Paradies für Tourisen. Mit seinen eleganten Denkmälern, den lebhaften Märkten und dem tollen kulinarischen Angebot bietet es unvergessliche Erlebnisse
In der Ferne höre ich das Wasser des Flusses Sabarmati rauschen. Über mir zwitschern zwei Vögel auf einem hohen Ast ein Lied, als mich ein Windhauch streift und Regen ankündigt. Ich stehe in der friedvollen grünen Anlage des Sabarmati Ashram in Ahmedabad und habe mich noch nie so ruhig gefühlt. Hier höre ich weder die Kakophonie der Stadt, noch bin ich umgeben von der hektischen Aktivität meiner Küche, an die ich mich gewöhnt habe. Stattdessen spaziere ich zwischen den Ausstellungsstücken des Museums hindurch, welches das Leben, die Zeit und Philosophie von Mahatma Gandhi dokumentiert. Seine bescheidenen Quartiere, die hier perfekt konserviert wurden, vermitteln mir einen Eindruck seiner Ideale, an die er glaubte.

Im Ashram am Westufer des Flusses kann man ganz unkompliziert einige Stunden verbringen. Von 1917 bis 1930 diente der Ashram während des indischen Unabhängigkeitskampfs Gandhi als Hauptquartier. Der Sabarmati Ashram gehört zu den ersten der Wahrzeichen Ahmedabads oder Amdavads, wie man die Stadt vor Ort nennt, die ich besuche, und als ich den Ort verlasse, ist es fast Zeit fürs Mittagessen. Indische Städte lassen sich nach kulinarischen Kriterien unterscheiden. Südindien mit seinen Idlis, Dosas und Appams und Nordindien mit gefüllten Parathas, Matar Paneer und Choley Kulchey. Auch wenn man die besten dieser Gerichte überall im Land probieren kann, ist Ahmedabad die Stadt, in der all alles am besten schmeckt. Von im Munde zergehenden Dhoklas über verführererische Gujarati Kadhi bis zu zuckersüßen Jalebis – ich habe die Qual der Wahl.

Ich lasse mich zu einem raffinierten, traditionellen Gujarati Thali auf Pital- (Messing) Geschirr nieder. Vor dem Essen erhalte ich eine kleine Schüssel, in die aus einem Metalltopf Wasser gegossen wird, damit ich meine Hände waschen kann – ein uralter Brauch, wie ich erfahre. Langsam füllt sich mein Teller mit winzigen Portionen regionaler Köstlichkeiten, beginnend mit einer Auswahl an Pickles und Chutneys wie Dhaniya- (Koriander) und Pundina- (Minz) Chutney sowie Gajar Mirch Achaar (Karotten-Chili-Pickle). Sie werden auf einem auf dem Teller drapierten Blatt serviert. „Das Blatt soll sicherstellen, dass die Khatta (Säure) der Pickles nicht mit dem Messing reagiert“, erklärt mir der Kellner. Dann kommen die Hauptgerichte Ringana Batata Nu Shak (Aubergine gekocht mit Kartoffeln), Chora Nu Shak (aromatische Schwarzbohnensauce), Gujarati Khatti Mithi Daal (süßsaure Linsensuppe), Undhiyu (gemischte Gemüse mit Spinatpaste), Bhindi Sambhariya (Okraschoten-Curry), Gujarati Kadhi (süße, dünne Sauce mit Joghurt und Kichererbsenmehl), Reis und Khichdi (indisches Gericht aus Reis und gehackten Hülsenfrüchten) sowie eine Auswahl an Brot wie Bajri und Makai No Rotlo (Roti oder Fladenbrot mit Bajra-Hirse- und Maismehl) und Puran Poli (gesüßtes Brot). Ich genieße jeden Bissen und werde hin und wieder beraten, wie man ein Gujarati Thali am besten isst. Die Schale Halwa soll beispielsweise als Hauptgang und nicht als Dessert gegessen werden! Die gegensätzlichen Texturen und Aromen faszinieren mich in vielerlei Weise.
Derart gesättigt, besuche ich Adalaj Vav. Versteckt gelegen in dem friedlichen Dorf Adalaj, circa 18 km vom Stadtzentrum, raubt mir dieser wunderschöne achteckige Vav (Stufenbrunnen) mit seinen fünf Stockwerken den Atem. Man sagt, dass dieser Vav nicht nur als kulturelles und nützliches Objekt, sondern auch als spirituelle Zufluchtsstätte gebaut wurde, die die Dorfbewohner täglich besuchten und deren in die Wände geschnitzte Gottheitsdarstellungen sie anbeteten. Innen ist es kühl. Ich sehe keine Gläubigen, aber viele Besucher – einige Einheimische, einige Touristen. Die raffinierte Architektur mit ihren indo-islamischen Einflüssen fasziniert mich und ich bestaune das harmonische Zusammenspiel zwischen den komplexen islamischen Blumenmustern, die sich scheinbar nahtlos mit dem Hindu- und Jain-Symbolismus verbinden. Ich nehme so viel wie möglich von diesem charmanten Ort in mich auf, bevor ich mich wieder Richtung Stadt verabschiede.

Die Abendzeit schreit geradezu nach Tee und Snacks und die Straßen von Ahmedabad laden mit den köstlichen Düften von dampfendem Chai (süßer Tee mit Milch), von Dal Pakora (Krapfen aus Linsenpaste), das die Straßenverkäufer frittieren, und anderen köstlichen Delikatessen ein. Ich entscheide mich für die Spezialitäten der Stadt: Chai, Maska Bun (fluffige Brötchen, mit Unmengen Butter getoastet) und Dalvada (Linsenkrapfen). Ahmedabad weiß, wie es die Geschmacksknospen von Liebhabern von Gujarati-Delikatessen, wie ich es bin, zu kitzeln hat. In der Tat mag ich die Küche so gerne, dass ich meine Version eines veganen Khakra (eines traditionellen Cracker-ähnlichen Gujarati-Snacks aus Weizenmehl und Öl) geschaffen habe, die mit gebackenen Karotten, eingelegtem Blumenkohl und kühlem Tofu-Aioli hergestellt wird. Jeder, der meine Arbeit kennt, weiß, dass ich vegetarisches Essen liebe, das über Zutaten wie Pilze und Paneer (Hüttenkäse) hinausgeht. Ich gebe regionalem Essen gerne einen zusätzlichen Pfiff und gestalte es individuell. Ich liebe jedoch auch typische Gujarati-Gerichte wie unter anderem Dhokla, Handvo, Buttermilch, Fafda, Sev Usal, Dhebhra, Thepla und Mohan Thaal, die immer wieder zeigen, dass die Gujarati-Küche eine perfekt ausbalancierte Kombination aus süß, salzig und pikant ist.

Eine Reise nach Ahmedabad wäre unvollständig ohne eine Runde Shopping, und ich kann den atemberaubenden Bandhani-Stoffen nicht widerstehen, die mit den alten Tie-and-Dye-Färbetechniken hergestellt werden. Überflüssig zu erwähnen, dass sie aus diesem Bundesstaat stammen und in der vielfältigen indischen Textilbranche einen ganz besonderen Status genießen. So gerne ich aber weiter durch die Stadt schlendern, ihre Sehenswürdigkeiten, ihren Klang und Duft genießen möchte, so sehr ruft doch die Arbeit. Aber ich reise nicht ab, ohne meine nächste Reise an diesen Ort zu planen.