Buddhismus als gemeinsame Kultur
Mit der Verbreitung der buddhistischen Kultur und Philosophie aus dem alten Indien durch Asien ist quer durch die südostasiatischen Länder eine starke Verbindung entstanden. Benoy K. Behl beschreibt das buddhistische Vermächtnis der Region und die heutige Relevanz
Ein bedeutsamer Meilenstein in der menschlichen Entwicklung ist die Verbreitung von Ideen und Gedanken über geografische und politische Grenzen hinweg. Eines der besten Beispiele hierfür die Ausbreitung des Buddhismus vom indischen Subkontinent in die südostasiatischen Länder.Die Konzepte Samsara, Maya und Mithya sowie das der trügerischen Natur der materiellen Welt wurden im 8. oder 9. Jahrhundert v. Chr. in den Upanishaden zusammengefasst. Der höchste Lebenszweck war die Fähigkeit, die ewige Wahrheit durch den Schleier der Illusion hindurch zu erkennen. Diejenigen, die dies erreichten, nannte man ‚Buddhas‘ oder die Erleuchteten bzw. ‚Tirthankaras‘ oder Besieger der Todesangst. In den nachfolgenden 2.000 Jahren verbreitete sich diese Philosophie über den Kontinent bis in die heutigen Länder Sri Lanka, Myanmar, Thailand, Laos, Vietnam, Indonesien, Nepal, Bhutan, Afghanistan, Tibet, Korea und Japan. Die nördlichste Ausbreitungsgrenze war Buryatia in Siberien und die Mongolei. Als Gelehrte aus ganz Asien an die alten indischen Universitäten Nalanda und Takshashil kamen, brachten sie die buddhistische Lehre, Texte und Reliquien mit nach Hause. So florierte der Buddhismus in Asien und ist selbst heute noch beherrschend in dieser Region.

Myanmar
Myanmar war ein Schmelztiegel buddhistischer Einflüsse und Künste im Lauf der Jahrhunderte. Zum Ende des ersten Jahrtausends hatte Myanmar enge Beziehungen zum Zentrum des buddhistischen Glaubens in Bodhgaya im indischen Bihar. Die architektonische Form des Mahabodhi-Tempels in Bodhgaya spiegelt sich in den Tempeln von Bagan, einer Tempelstadt in Myanmar, aus dem 11.-12. Jahrhundert wider. Ab dem 12. und 13. Jahrhundert, dem Zeitpunkt des Niedergangs der buddhistischen Zentren in der indischen Ebene, flüchteten Gelehrte und Künstler aus Indien an spirituellen Zufluchtsort in Myanmar. Bagan wurde mit seinen Tausenden buddhistischen Tempeln, die mit raffinierten Bildern und Skulpturen geschmückt waren, zum Zentrum. Die Bilder aus dem 12. Jahrhundert an den inneren Tempelwänden in Bagan drehen sich um das Leben des Gautama Buddha und der Jakata-Geschichten. In Yangon, der Hauptstadt von Myanmar, steht die große Shwedagon Pagode, der heiligste buddhistische Tempel in Myanmar, der die Reliquien der letzten vier Buddhas enthalten soll. Ob man nun den Architekturstil der Tempel von Bagan oder die Malerei darin betrachtet – das buddhistische Erbe von Myanmar reflektiert ziemlich exakt das buddhistische Erbe von Indien.

Vietnam
Im Oktober 2018 wurde eine wichtige Facette der weniger bekannten kulturellen Verbindungen zwischen Indien und Vietnam entdeckt. Die Vietnam-Reise von Bodhidharma, einem wichtigen Buddhismusgelehrten aus Indien, war früheren Historikern nicht bekannt. Bodhidharma soll der Gründer des Chan-Buddhismus in China (Dhyana in Sanskrit) gewesen sein, der in Japan als Zen-Buddhismus bekannt ist. Abgesehen von seinem Einfluss in China soll der Chan-/Zen-Buddhismus äußerst wichtig für die Ausbildung der Kultur der Disziplin und des nationalen Charakters der Japaner gewesen sein. Bodhidharma reiste von Indien nach China und verbrachte dort im 5./6. Jahrhundert einige Zeit.Es gab eine konstante Reisebewegung der buddhistischen Gelehrten entlang der Meeresrouten in Südostasien, und Bodhidharma könnte auf dem asiatischen Festland im ehemaligen Champa-Königreich in Vietnam gelandet sein, worauf die Hindu- und buddhistischen Tempel, die über den Süden und die Mitte Vietnams verteilt sind, hindeuten.

Indonesien
Seit jeher transportierten Schiffe Waren zwischen Indien, Indonesien und China hin und her. Archäologische Funde in Indonesien zeigen die enge Verbundenheit mit Indien in den letzten 2.000 Jahren.Im ersten Jahrtausend reisten chinesische Pilger auf dem See- und Landweg zu den heiligen buddhistischen Stätten in Indien. Wenn sie die Meeresroute nutzten, verbrachten sie viel Zeit an den quirligen Häfen von Indonesien, die sie in ihren Schriften erwähnen. Der Hinduismus existierte in Indonesien schon lange und der Buddhismus blühte ab dem 7. Jahrhundert auf. Auch heute noch ist das indische Epos Ramayana die wichtigste kulturelle Tradition in Indonesien. Im 8. und 9. Jahrhundert wurden großartige buddhistische Denkmäler auf der indonesischen Insel Java errichtet. Der Borobudur-Stupa in Zentral-Java, eines der schönsten buddhistischen Denkmäler, wurde in diesem Zeitraum von den Shailendra-Königen gebaut.Der Borobudur-Stupa zeigt auf sehr schöne Weise die Konzepte der buddhistischen Philosophie. Mit ihren riesigen Flächen voller raffinierter Reliefarbeiten ist sie wie ein Mandala aufgebaut und präsentiert einen stufenförmigen Weg hinauf zur endgültigen Wahrheit. Mandalas tauchten in der buddhistischen Kunst ab dem 5. Jahrhundert auf, wie in den buddhistischen Höhlen von Kanheri im indischen Maharashtra zu sehen ist. Der Borobudur-Stupa zeigt die klarste und schönste Fortsetzung der alten buddhistischen Philosophie aus Indien.

Thailand
Zwischen dem 13. und der Mitte des 14. Jahrhunderts entwickelte sich eines der besten buddhistischen Zentren in Sukhothai in Thailand. Hier wurde höchst elegante buddhistische Kunst in einem Stil erschaffen, der noch heute berühmt ist. Die Klöster aus dieser Zeit wurden möglicherweise aus Holz errichtet und haben deswegen nicht überlebt. Was jedoch überlebt hat, ist die Kunst der Erschaffung eleganter und wunderschöner Buddha-Bilder. In der Mitte des 14. Jahrhunderts gründete König U Thong von Thailand eine neue Hauptstadt rund 85 Kilometer nördlich des heutigen Bangkok. Sie wurde Ayutthaya genannt, nach der Stadt Ayodhya, dem Geburtsort von Lord Rama in Indien. Inmitten der Ruinen von Ayutthaya existieren noch viele beeindruckende Klöster, die das ruhmreiche buddhistische Vermächtnis der Region zeigen.In den thailändischen Tempeln ist häufig Garuda dargestellt, das Reittier der Hindu-Gottheit Lord Vishnu. Garuda gilt seit jeher in Thailand als königliches Symbol. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass es in den buddhistischen Stupa-Geländern in Bharhut ein Garuda-Dhwaja (eine königliche Flagge an einer Stange) gibt. Garudas mit goldenen Flügeln fallen auch in vielen buddhistischen Klöstern aus dem 11. und 13. Jahrhundert in West-Tibet und im indischen Ladakh, Lahaul-Spiti und Kinnaur ins Auge.Der Tempelkomplex des liegenden Buddha, Wat Pho, gehört zu den beliebtesten heiligen Stätten in Bangkok und geht auf das 17. J

ahrhundert zurück. Das Mittelstück des Wat Pho ist eine 50 Meter lange Statue von Lord Buddha in liegender Position. Die Darstellung ähnelt sehr dem künstlerischen Meisterwerk von Lord Buddhas Parinirvana in den Ajanta-Höhlen in Maharashtra. Diese Tradition der Darstellung begann in Indien und setzt sich bis heute quer durch Asien fort.Der berühmteste Bangkok-Tempel ist derjenige, der Emerald Buddha oder Wat Phra Kaew gewidmet ist. Der Tempel wurde zwischen 1782 und 1784 während der Herrschaft von König Rama I. erbaut. Das Innere des Tempels ist mit Wandbildern bedeckt, die Szenen aus dem Ramayana darstellen. Tatsächlich zeigen die meisten buddhistischen Tempel in Thailand zahlreiche Szenen aus dem Epos. Auch heute noch ist das Ramayana oder Ramakien, wie es örtlich genannt wird, hier eine beliebte kulturelle Tradition.
Kambodscha
Kambodscha ist ein weiteres Land mit einer reichen Geschichte heiliger Kunst und Architektur. Obwohl die königliche Familie von Kambodscha in erster Linie Hindu-Gottheiten anbetete, wurden dennoch zahlreiche buddhistische Kunstwerke erschaffen. Die hinduistischen und buddhistischen Skulpturen aus Kambodscha aus der Zeit zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert sind in ihrer Schönheit und Exzellenz unübertroffen.Im frühen 12. Jahrhundert erbaute der damalige König Suryavarman II von Kambodscha einen der größten Hindu-Tempelkomplexe, den Angkor Wat. Er wurde den Gottheiten Shiva, Brahma und Vishnu gewidmet und später von Buddhisten genutzt.Im 13. Jahrhundert errichtete König Jayavarman VII einen der größten buddhistischen Komplexe in Kambodscha in seiner Hauptstadt Angkor Thom, rund 150 Kilometer von Angkor Wat entfernt. Die „Gesichtstürme“ von Angkor Thom sind zu einem weltweit bekannten Symbol dessen geworden, was man heute als Angkor Archäologischer Park kennt, zu dem Angkor Wat und Angkor Thom gehören. Die geschnitzten lächelnden Gesichter blicken in die vier Himmelsrichtungen und symbolisieren die universelle Güte der Bodhisattva Lokeshvara. Der Bayon im Zentrum von Angkor Thom ist der eigene heilige Tempelberg des Königs und eines der weltweit großartigsten buddhistischen Denkmäler.

Laos
In der Mitte der südostasiatischen Halbinsel befindet sich das Land Laos. Die Bevölkerung ist hier äußerst spirituell und der Theravada-Buddhismus ist die Grundlage ihrer Kultur. Mönche oder diejenigen, die dem materiellen Komfort des Lebens entsagen, werden tief verehrt und erhalten gemäß den alten Traditionen aus der Zeit Lord Buddhas in Indien regelmäßig Almosen. In Laos gibt es fast 5.000 buddhistische Tempel. Die meisten Männer in Laos verbringen zumindest einen Teil ihres Lebens im Kloster, um die buddhistische Lehre und eine mitfühlende Sicht auf die Welt zu verinnerlichen, was ebenfalls an ‚Brahmacharya Ashram‘ (eine asketische Zeit im Leben) aus dem alten Indien erinnert.Der goldene That Luang-Stupa ist ein nationales Symbol von Laos. Der ursprünglich im Jahr 1566 erbaute Stupa ist 45 Meter hoch und soll ein heiliges Relikt von Gautama Buddha enthalten.Da Lord Buddha den größten Teil seines Lebens mit der Lehre seiner Philosophie in Indien verbracht hat, gilt das Land als Wiege des Buddhismus. Auch wenn der Buddhismus in Indien nach dem 11. und 12. Jahrhundert an Bedeutung verlor, entwickelte er sich in den Nachbarländern positiv und hat tiefe kulturelle und zivilisatorische Bande geschaffen.Der Buddhismus erlebt derzeit wieder in Comeback. Seine wachsende Beliebtheit ist mit der friedlichen Natur seiner Philosophie und seiner geografischen Ausbreitung über Südostasien verknüpft, wobei sich rund 98 Prozent der weltweiten buddhistischen Anhängerschaft auf die Asien-Pazifik-Region konzentriert. Das gemeinsame buddhistische Erbe verbindet Indien über Südostasien hinaus auch mit Ländern wie Japan, Korea oder sogar China.

Unter Premierminister Narendra Modi spielt der Buddhismus im Rahmen von Indiens ‚Look East‘- und ‚Act East‘-Politik eine noch größere Rolle bei der Stärkung der Beziehungen zu den ASEAN-Ländern. In seiner Grundsatzrede zu den Buddha Jayanti-Feierlichkeiten 2018 hatte PM Modi die Bedeutung der buddhistischen Bande für Indiens Beziehungen zu anderen (vorwiegend buddhistischen) Ländern in Asien betont. Der Buddhismus entwickelt sich zum Katalysator für den Aufbau engerer Beziehungen zur asiatischen Community und bietet auch enormes touristisches Potenzial. Es werden diverse Maßnahmen ergriffen, um das buddhistische Vermächtnis und die Verbindungen zu anderen buddhistischen Nationen wiederherzustellen. Im Februar dieses Jahres betonte Prahlad Singh Patel, Unions-Staatsminister für Kultur und Tourismus, auf dem 8. Virtuellen ASEAN-Indien-Tourismusministertreffen Indiens historische und kulturelle Bande zu den ASEAN-Ländern und erklärte, dass die ASEAN ein entscheidender Markt für den buddhistischen Tourismus in Indien sind, da sie für erheblichen Reiseverkehr zu buddhistischen Stätten sorgen. Das Tourismusministerium hat beträchtliche Summen in die Aufwertung der Infrastruktur auf dieser Reisestrecke investiert. Es organisiert außerdem den International Buddhist Conclave, um ein Bewusstsein für das buddhistische Erbe in Indien zu schaffen und den ausländischen Reiseverkehr zu buddhistischen Stätten zu erhöhen. Der Buddhismus ermöglichte kulturelle und philosophische Beziehungen über die geografischen Grenzen des alten Indiens hinaus und kann heute auch genutzt werden, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern.