Reise

Fortschritte einer Pilgerin

Heft 04, 2019

Fortschritte einer Pilgerin

Rachel Hunter |Autor

Heft 04, 2019


Supermodel Rachel Hunter liebt Indien, ein Land, das ihr geholfen hat, mit ihrem Innersten in Verbindung zu treten. Sie nimmt uns mit auf eine geführte Reise zu ihren beiden spirituellen Lieblingszielen Varanasi und Rishikesh


Es war im Jahr 2015, als ich die Fernsehserie Rachel Hunter’s Tour of Beauty drehte und spät nachts in Neu Delhi landete. Als ich aus dem Flughafen heraustrat, war ich aufgeregt: ich konnte es kaum erwarten, das Unbekannte, aber doch anscheinend so Bekannte zu entdecken. Ich übernachtete in einem der nahegelegenen Hotels und flog am nächsten Morgen nach Varanasi. Meine Entscheidung hatte zwar viele überrascht, aber im Rückblick weiß ich, dass es die beste war, die ich je getroffen hatte. Es ist eine unglaublich intensive, magische Stadt, die sich im Wandel befindet. Man sagt, dass Lord Shiva hier, in einer der ältesten und heiligsten Städte der Welt, residiert. Manche überfordert die lebhafte Kultur in Varanasi zunächst etwas, aber man muss die Geduld aufbringen, um diese alte Stadt zu verstehen. Man muss warten, bis sich das lebhafte Kulturerbe von Varanasi entwirrt, eine berauschende Schicht nach der anderen.

Es ist überwältigend, die funkelnden Lampen auf dem Fluss schwimmen und nach dem Aarti in der Nacht verschwinden zu sehen

Varanasi ist mit seiner göttlichen, hingebungsvollen Wärme von großer spiritueller Bedeutung und zieht Gläubige aus aller Welt an. Auch ich war auf der Suche nach dem Glauben gekommen, um meine Seele zu regenerieren und einen Lebensstil zu finden, der gegensätzlich zu dem der westlichen Welt war. Mein erster Morgen in Varanasi begann mit dem Klang der Gesänge aus einem nahegelegenen Tempel. Der Himmel vor meinem Hotelzimmer war noch schwarz, aber es schien, als würde die Stadt bereits aufwachen und sich auf die täglichen göttlichen Aufgaben vorbereiten. Ich lief am Ufer des Ganges entlang, einem der heiligsten indischen Flüsse, und erkannte, dass nicht nur der spektakuläre Sonnenaufgang den Morgen so besonders machte – es waren die Menschen und die fromme Atmosphäre der Stadt.

Sonnenaufgang über dem heiligen Ganges in Varanasi

Als die Sonne über dem Ganges aufging, feuerrot, und die herumschaukelnden Boote konturierte, begann die Stadt mit ihren frühen Ritualen des Badens und der Ehrung der Götter und Göttinnen durch Gebete. Die Luft war gefüllt mit betenden Menschen, Tempelgesängen und dem Läuten der Tempelglocken, was, wie ein Priester erklärte, das Ziel hat, die Götter aufzuwecken. Genauso wie die Stadt wurde auch der Fluss lebendig. Die Gläubigen beteten den Fluss und den Sonnengott an, Kinder sprangen ins Wasser und plantschten laut und fröhlich herum, Yoga-Anhänger praktizierten ihre Asanas auf den Flusstreppen und Fischer machten ihre Boote für die mesmerische frühe Fahrt am Morgen fertig. Als ich in einem Boot saß, waren meine Sinne von dem hypnotischen Plätschern ganz gebannt, und die Stadt Varanasi schien wie eine Vision und ein Traum aus dem Fluss emporzusteigen. Im Lauf des Tages kam ich zufällig zu einem anderen Ghat, Manikarnika, wo die Toten gemäß den Hindu-Ritualen eingeäschert werden. Ich sah, wie die Toten von ihren Liebsten geehrt wurden, die um Erlösung baten. Es war, als ob der Lebenszyklus hier in dieser Stadt seinen Abschluss findet. Schließlich kam ich während meiner Varanasi-Besichtigung zum Sankat Mochan Tempel, der Lord Hanumana gewidmet ist. Dieser malerische Tempel, versteckt in einer ruhigen Gasse, ist einzigartig in seiner Einfachheit. Glorreiche Hanumana Chalisa (Gebete) werden gesungen, die von Gott geliebten Mönche streifen auf dem Anwesen umher, und es ist faszinierend, einfach nur auf dem Boden zu sitzen und die Menschen vorbeigehen zu sehen.

Ein traditionelles Geschäft, das Musikinstrumente in Varanasi präsentiert

In Varanasi muss man die Stadt entdecken, um ihre Spiritualität zu spüren. Ich erinnere mich, wie ich bei meiner Rückkehr nach Varanasi im letzten Jahr auf den Stufen des Vishwanath Tempels saß und den Gesängen zuhörte. Als ich dort saß, fand der rhythmische Gesang seinen Widerhall tief in meinem Inneren und ich hatte das Gefühl, wiedergeboren zu sein! Varanasi lässt eine neue Art des Denkens entstehen, wodurch man das innere Wunder öffnen und das Leben mit den Augen eines neugierigen Kindes sehen kann. Einatmen – ausatmen, und schon beginnt der Zauber zu wirken.

Nicht verpassen

Der Lord Vishwanath TempelDer wichtigste Shiva-Tempel von Varanasi, Lord Vishwanath Mandir, steht in der Nähe des Dwashasamedh Ghat, wo man die Seele der Stadt auf ideale Weise erleben kann.

Morgendliche SpaziergängeDie Gassen der Tempelstadt sind ein lebendiges Labyrinth: Ladenbesitzer fegen die leeren Straßen vor ihren Geschäften, und an provisorischen Ständen werden zahlreiche Girlanden für die Gottheiten verkauft.
Einen Sari erwerbenEin Banarasi- (heute Varanasi-)Sari gehört wegen des raffinierten, in die Seide eingewobenen Gold- und/oder Silbermusters zu den schönsten in Indien hergestellten Stoffen.

RISHIKESH

Neben Varanasi ist Rishikesh, die Stadt der Spiritualität und des Yoga in Uttarakhand, versteckt im Himalaya, meine Lieblingsstadt in Indien. Durch die Stadt fließt gemächlich der Ganges und die Menschenmassen strömen jeden Abend zu einem großartigen Aarti (ein Ritual, bei dem Lampen am Flussufer hochgehalten werden). Der Ganges bietet in Varanasi einen fantastischen Anblick: mächtig und in Rishikesh doch ruhig, braust er die Berge hinab. Wenn es dunkel wird, ist es überwältigend, die funkelnden Lampen auf dem Fluss schwimmen und in der Nacht verschwinden zu sehen.

Blick auf die legendäre Ram Jhoola, eine Kabelhängebrücke in Rishikesh

Der Kunjapuri Devi Tempel ist ebenfalls eine bezaubernde Sehenswürdigkeit. Mit einem Reiseführer erlebt man die Magie des Tempels, der bei Sonnenaufgang Aussicht auf die Berge bietet, am besten. Die Besucher singen oder sitzen einfach schweigend da, während sie die Sonne über dem Himalaya aufgehen sehen. Der Priester segnet die Gläubigen, wenn der Tempel seine Türen öffnet.

Die Autorin nach dem abendlichen Aarti an den Ghats in der Nähe von Rishikesh

Die Stadt bietet eine wilde Mischung aus Erlebnissen: Lassi mit Rosengeschmack, scharfes Street Food, der süße Duft von Weihrauch, die lebhaften Gespräche und vor den Läden stehen sogar Kühe an und warten auf einen Leckerbissen. Nicht nur im Tempel finde ich Trost in dieser Stadt: es ist alles Teil einer spirituellen Reise. Pilgerfahrten in Indien gehören grundlegend nicht nur zu meinem, sondern zum Leben vieler Menschen, denn sie bieten die Möglichkeit, nach innen zu schauen, das menschliche Ego verschwinden zu lassen und das Leben in seiner Fülle zu entdecken. Es gibt das Sprichwort: „Der Rest der Welt reist ins Ausland, aber Indien bleibt im Inland“. Es ist Indiens spirituelles Versprechen, das seit Jahrhunderten erfüllt wird. Werden Sie ein Teil Indiens, und Indien wird Sie immer lieben.

Nicht verpassen

Yoga in RishikeshEs gibt verschiedene Orte, an denen man Yoga lernen und praktizieren kann, sowie absolut friedliche Meditationsorte wie die Höhle von Vashishtha, in welcher der Legend nach Vashishtha meditierte.
Die Altstadt von RishikeshDie Altstadt von Rishikesh ist ein lebendiges Zentrum mit Märkten, auf denen Puja-Zubehör angeboten wird. Ein Rundgang durch Rishikesh ist magisch und jedes Detail bleibt unvergesslich.
Ganga Aarti Das abendliche Aarti hier ist mein Favorit. Ich habe schon viele Sonnenuntergänge damit verbracht, dem Ritual des Feuers und der Blumengaben für den Fluss zuzuschauen. Der Anblick der Lampen, die auf dem Fluss in die Nacht entschwinden, ist überwältigend.

Rachel Hunter

Rachel Hunter ist ein internationales Supermodel aus Auckland, Neuseeland, die ihre Karriere im Alter von siebzehn startete. Sie hat gerade einen Bestseller herausgebracht, in dem sie ihre unvergesslichen Erlebnisse bei den Dreharbeiten von ‚Rachel Hunters Tour of Beauty‘ erzählt. Rachel hat offiziell alte Yoga-Praktiken am Fuße des Himalayas studiert.
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