Erbe

Ein Hauch von Gandhi in Mexiko

Heft 06, 2020

Ein Hauch von Gandhi in Mexiko

Mark Brown |Autor

Heft 06, 2020


In einer seiner monatlichen Radioansprachen lobte der indische Premierminister Narendra Modi die Arbeit der indigenen Zapoteken-Bevölkerungsgruppe in Mexiko, die Khadi-Stoffe herstellt, ein einheimisches indisches Textil und Symbol für Mahatma Gandhis Freiheitskampf. Mark Brown, der Mann hinter dem neu entdeckten Stoff in dem nordamerikanischen Land, erzählt seine Geschichte und was ihn inspirierte, Mahatmas Philosophie der Autarkie fortzuführen

Der indische Premierminister Narendra Modi macht seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2014 Werbung für Khadi. Dieser handgesponnene Stoff steht sinnbildlich für Mahatma Gandhi, der ihn als Symbol für Nationalstolz, Autarkie und Gleichheit neu zum Leben erweckte. Fast ein Jahrhundert, nachdem Gandhis ursprüngliche Khadi-Bewegung den Indern in Zeiten des Unabhängigkeitskampfs zu Autarkie verhalf, erlebt diese Bewegung in der Zapoteken-Bevölkerungsgruppe in Mexiko ein Comeback. Diese wenig bekannte Tatsache wäre ein Geheimnis geblieben, wenn nicht PM Modi die Mission Mann ki Baat bei seiner monatlichen Radioansprache an das Volk betont hätte. Er sprach in den höchsten Tönen von der großartigen Arbeit des Khadi Oaxaca-Projekts in Mexiko und von dem Mann, der dahintersteht – Mark Brown.In einem exklusiven Artikel schildert Mark Brown, inwiefern dieser handgesponnene Stoff die Grundlage der „Vom-Bauernhof-bis-zum-Kleidungsstück“-Ethik ist, welche den Herstellern ihre Würde zurückgibt. 

Die in Oaxaca, Mexiko, gewebten Khadi-Produkte, beispielsweise Kleidungsstücke, sind oft mit traditionellen mexikanischen Mustern verziert

Die Geschichte beginnt mit mir, einem jungen professionellen Zauberer aus Mexico City, der in das traditionelle indigene Zapoteken-Dorf San Sebastian Rio Hondo im Bundesstaat Oaxaca in Südmexiko reiste. Es war das Jahr 1974 und ich war damals 14 Jahre alt. In San Sebastian Rio Hondo gab es keine Straßen, Elektrizität, Schulen oder moderne Annehmlichkeiten. Ich sah, wie ein autarkes Dorf, abgeschieden von jeder modernen Industrie, florierte. Dieses Erlebnis veränderte meine Sicht auf die Welt: Ich erkannte, dass ein nachhaltiges Leben in Harmonie mit der Natur möglich war. Es war eine ganz neue Form der Bildung.Einige Jahre später reiste ich nach Indien auf der Suche nach Philosophie und Spiritualität. Ich studierte traditionelles Yoga und Vedanta (eine Hindu-Philosophie basierend auf der Doktrin der Upanishads, speziell in ihrer monistischen Form). Mein Leben veränderte sich im Jahr 1984, als ich den Film Gandhi (1982) sah. Mahatma Gandhis Leben und Philosophie berührten mich so tief, dass ich in den Sabarmati Ashram nach Gujarat fuhr, wo ich Dilkhush Divanji kennenlernte, einen bescheidenen, weisen und einflussreichen Gandhi-Aktivisten. Als ich in dem Bundesstaat lebte, ihn studierte und bereiste, entdeckte ich, wie die Gandhi-Ökonomie zur Unterstützung eines gesunden dörflichen Lebensstils beiträgt. Ich lernte, meine eigene Kleidung zu spinnen und zu weben und verstand dabei auch die Philosophie dahinter.

Der indische Premierminister Narendra Modi spinnt bei seinem Besuch in Mahatma Gandhis Sabarmati Ashram in Ahmedabad am 29. Juni 2017 Garn auf einer Charkha

Irgendwann in den 1990ern kehrte ich nach Oaxaca zurück und brachte ein Charkha (Spinnrad) mit. Ich begann, den Einheimischen beizubringen, wie sie damit Baumwolle spinnen konnten. Mit unserer Leidenschaft und Liebe für den Khadi-Stoff fingen meine Frau Kalindi Attar und ich an, mit den Familien vor Ort zusammenzuarbeiten. Gemeinsam machten wir uns auf die Reise, mit dem nachhaltigen Anbau eines einheimischen, fast in Vergessenheit geratenen prähispanischen mexikanischen Baumwollsamens, der Coyuchi-Baumwolle.Heute arbeiten mehr als 400 Menschen in und um San Sebastian Rio Hondo in unserem Projekt Khadi Oaxaca mit, und neun Mitarbeiter verwalten das Programm vor Ort. Im Rahmen dieses Projekts erzeugen die Weber wunderschöne Kleidungsstücke, Inneinrichtungsgegenstände wie Kissen- oder Polsterbezüge und Stoffballen.

Weber und Kunsthandwerker, die in das Khadi Oaxaca-Projekt eingebunden sind

Mahatma Gandhi war ein erleuchteter Visionär. Es ist klar, dass wir uns mit einer der Hauptquellen und Wurzeln unserer schmerzlichen heutigen Probleme beschäftigen müssen, der Missachtung von Mutter Erde. Wir können ihr gegenüber nicht gewalttätig sein, ohne unseren zukünftigen Generationen Gewalt anzutun. Wir müssen wieder Fürsorge für unseren Planeten entwickeln, wie wir dies bei unseren Kindern tun. Khadi zeigt uns den Weg in einen Lebensstil, der unseren Dörfern und künftigen Generationen eine Zukunft bietet. Es geht um ein Leben mit unseren eigenen Mitteln. Ehren wir unsere Vorfahren, indem wir das verwenden, was wahr und gut ist, was die Schönheit und einen ganzheitlichen, nachhaltigen Lebensstil unterstützt. Gemeinsam können wir einen Wandel bewirken.

Mark Brown

Mark Brown ist Unternehmer und hat die indische Tradition der Khadi-Herstellung im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca wieder zum Leben erweckt. Er hat eine „Vom-Bauernhof-bis-zum-Kleidungsstück“-Ethik eingeführt, welche den Herstellern ihre Würde zurückgibt und den Anbau der einheimischen mexikanischen Coyuchi-Baumwolle fördert.
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