Reise

Einige Geheimnisse rund um Ladakh

Heft 02, 2021

Einige Geheimnisse rund um Ladakh

Anurag Mallick y Priya Ganapathy |Autor

Heft 02, 2021


Ladakhs Hauptstadt Leh und ihre Umgebung sind landschaftlich vielfältig und kulturell lebhaft. Die Reisefans Anurag Mallick und Priya Ganapathy nehmen uns mit auf einen Abstecher, um mithilfe der Bewohner die unbekannten Seiten des Kulturerbes und der Traditionen von Leh kennenzulernen

Die Bergregion Ladakh liegt eingerahmt vom Karakorum-Gebirge und dem Himalaya und war einst raues Niemandsland, das nur Nomadenstämme betraten. Auch heute noch verzeichnet diese dramatische Gegend eine der weltweit niedrigsten Bevölkerungsdichten. Nachdem die Region 1974 für Besucher geöffnet wurde, ziehen Ladakh und insbesondere Leh, die Hauptstadt des Unionsterritoriums, zwischen Mai und September große Touristenströme an, die von der einzigartigen Landschaft, den aufregenden Abenteuermöglichkeiten und der lebhaften Kultur fasziniert sind. Von der Entdeckung surrealer Berglandschaften voller buddhistischer Klöster bis zu der einzigartigen Kultur der Region – Ladakh bietet vielfältigste Erlebnisse. Eine bereichernde Reiseart sind in jedem Fall Touren mit Einheimischen, die Einblick in ihr Leben vermitteln und dabei helfen, unbekannte Facetten der Region zu entdecken. Wir schildern einige Erlebnisse in Leh jenseits der ausgetretenen Pfade.

Gurudwara Sri Datun Sahib as viewed from the Central Asian Museum
Gurudwara Sri Datun Sahib

Altstadt

Im frühen 15. Jahrhundert ließ der damalige König von Ladakh, Dragpa Bumdey, in seiner Hauptstadt Leh die erste Festung sowie die kleine Burg Tsemo errichten. Im 17. Jahrhundert baute König Sengge Namgyal den massiven neunstöckigen Leh Palace oder Lachen Palkar Palace. Zwar wurde der Palast Mitte des 19. Jahrhunderts von der königlichen Familie aufgegeben, jedoch steht das beeindruckende Gebäude noch heute dort, umgeben von den Resten der Erdwallbefestigung, die sich durch die Altstadt ziehen. Während der Palast zu den Must-See-Sehenswürdigkeiten von Leh gehört, gerät die Altstadt häufig in Vergessenheit. Bezugnehmend auf die Wohnhäuser und öffentlichen Plätze wird sie im Volksmund Kharyog genannt. Die beste Art, Old Leh kennenzulernen, ist eine historische Stadtführung. Angeleitet von Sonam Gyatso, einem ehemaligen Wirtschaftswissenschaftslehrer, der sich heute der Pflege des kulturellen Vermächtnisses von Ladakh widmet, wandeln Touristen durch das Labyrinth aus Gassen in der Altstadt. Diese stammt aus dem 17. Jahrhundert und ist ein Gebilde aus rund 200 Wohngebäuden aus Lehm, Stein und Holz, umrahmt von einem Wall aus gestampfter Erde am Fuße des Leh Palace. Trotz jahrelangem Verfall ist die Altstadt von Leh eines der wenigen verbliebenen Beispiele einer intakten städtischen tibetisch-himalayischen Siedlung.Von den 180 historischen Häusern der Altstadt wurden 40 konserviert, darunter das Onpo (Astrologen-)Haus, Sofi (Kaufmanns-)Haus und das Hor Yarkandi Haus, das den Nachfahren einer Familie gehört, die vor über 100 Jahren von Yarkand in China nach Ladakh einwanderten. Das Pilotprojekt, das Haus eines Metallverarbeiters, erhielt eine UNESCO-Auszeichnung für die besten Konservierungspraktiken.

A stunning image of Leh at sunset
Leh im Sonnenuntergang

Central Asian Museum

Ladakh, das am Schnittpunkt der Karawanenstraßen lag, ist durch den Handel aus den alten Städten Samarkand und Bukhara im heutigen Usbekistan, Tibet, Teilen von China und Afghanistan geprägt, wobei viele dieser Routen in Leh aufeinandertrafen. Für eine gewisse Zeit wurde Leh zu einem kulturellen Schmelztiegel. Das Central Asian Museum in Leh wurde eingerichtet, um diesen bedeutsamen Aspekt der Geschichte von Ladakh ins Gedächtnis zu rufen und zu bewahren. Unterstützt durch das Kulturministerium der indischen Regierung enstand das vierstöckige Museum im Tsa Soma Gardens, der ehemals ein Campingplatz für Wohnwägen war. Es ist in Form eines tibetisch-ladakhischen Festungsturms gestaltet und aus traditionellen ladakhischen Baumaterialien wie Stein, Holz und Lehm errichtet. Ausgestellt werden hier Relikte aus dem Karawanenhandel, alte Fensterrahmen, Getreidespeicher und eine Küche im Ladakh-Stil mit einer perfekten Sammlung hochglänzender Kessel, in der man auch Mittagessen bestellen kann. Das Museum zeichnet Lehs Rolle beim Seidenstraßenhandel nach. In diesem Bezirk stößt man außerdem auf Lehs älteste Moschee und einen heiligen Baum mit dem Namen Datun Sahib, der 500 Jahre alt sein soll. Auf seiner Reise nach Tibet soll der Sikh-Guru Nanakji 1517 durch Leh gekommen sein und seine Miswak Twig Datun (Zahnbürste) neben dem heutigen Museum eingepflanzt haben. Der Zweig wuchs zu einem Baum heran und bot den Karawanen Schutz. Hier befindet sich heute der Gurudwara Sri Datun Sahib.

The Central Asian Museum boasts a stellar collection of artefacts and manuscripts from Central Asia, Tibet and Kashmir dating back to the 18th and 19th centuries;
Das Central Asian Museum präsentiert eine herausragende Sammlung von Artefakten und Manuskripten aus Zentralasien, Tibet und Kaschmir, die auf das 18. und 19. Jahrhundert zurückgeht

Carpet Lane

Häufig übersehen Touristen eine der ältesten Gassen von Leh: die Nausher Street mit einer Vielzahl an Teppichgeschäften, weswegen sie auch Carpet Lane genannt wird. Der einheimische Modedesigner Jigmat Norbu, der ein Modegeschäft in Ladakh führt, erklärt, dass an diesem Ort einstmals ein altes Tor stand, an dem Steuern eingezogen wurden. Heute kann man noch die 120 Jahre alte Karawanserei besuchen, das letzte noch existierende traditionelle Gebäude hier. Direkt nebenan, neben dem Polofeld, hat Jigmat in seinem Wohnhaus ein beeindruckendes Textilmuseum eingerichtet, was fünf Jahre in Anspruch nahm. Es enthält Elemente der ladakhischen Architektur und dokumentiert die prachtvolle Mode aus Ladakh mithilfe von Fashion-Moodboards. Besuche in dem Museum mit seinen kuratierten Wegen sind nur auf Einladung möglich und ähneln einem privaten Abendessen.

An artisan from Chilling stands with her products
Eine Handwerkerin aus Chilling mit ihren Produkten (rechts)

Chilling – das Dorf der Metallverarbeiter

In Chilling, einem Dorf in ungefähr einer Stunde Entfernung von Leh, erschaffen Metallverarbeiter seit Jahrhunderten Musikinstrumente, Statuen und Haushaltsgegenstände. Im 16. Jahrhundert lud König Deldan Namgyal fünf ausgebildete Newari-Schmiede aus Nepal ein, um eine zweistöckige Kupferstatue von Lord Buddha für das Kloster Shey in der Nähe der Stadt Leh zu bauen. Er war sehr beeindruckt von ihren Fähigkeiten und bot ihnen Land an, um sich dauerhaft niederzulassen. Sie wählten ein spezielles Tal am Fluss Zanskar, das reich an Kupfervorkommen war (Zang ist tibetisch für Kupfer und Skar bedeutet Tal). Der Ort, an dem sie sich niederließen, wurde ‚Chilling‘ genannt – Chhi steht für ausländisch und Ling für Ort – oder ‚Land der Ausländer‘. Im Lauf der Jahrhunderte vermischten sich ihre Nachfahren mit der örtlichen Gemeinschaft und heute beten alle Lord Shiva an, wenn auch auf buddhistische Weise. Tsewang, der aus einer Familie von Metallverarbeitern stammt, führt Touristen durch das Museum in seinem Zuhause, in dem die traditionellen Werkzeuge von Generationen ausgestellt sind. Hier gibt es keine modernen Werkzeuge oder Geräte, sondern seit dem 16. Jahrhundert nur handgemachte Utensilien und Techniken – eine schillernde Vielfalt an Metallwaren aus Kupfer, Silber und Messing. Ausgestellt sind verschiedene Typen von Cuttern, Bohrern, Hämmern und Zong (Nägeln), neben Thungbo (Kellen), Chang (Töpfen), Pheyphor (Weizenfässern) und Phang (Webspindeln). Bei näherer Betrachtung der Zomal (Gießerei) erschließt sich ein interessanter Prozess: die Handwerker gießen Wasser in eine Kiste Aprikosen und tauchen die Utensilien darin über Nacht ein – die resultierende Säure entfernt den Schmutz und lässt die Produkte glänzen.

Töpferei

Rund 40 km von der Stadt Leh entfernt liegt das Kloster Basgo (Gompa) in der Nähe von Likir, wo König Jamyang Namgyal das Töpfern förderte, denn Ton stand hier unmittelbar zur Verfügung. Das Kloster steht auf einem spiralförmigen Berg. Der Legende nach wurde das Gompa von den beiden Wächtern (Nagas) Nanda und Taksako bewacht – daher sein Name Klu-Kkhyl bzw. ‚von Nagas umzingelt‘. Der sechzigjährige Lamchung Tsepail verarbeitet Ton, unterstützt von seinem Sohn Rigzin Namgyal, seitdem er 15 Jahre alt ist und ist der alleinige Bewahrer dieser 350 Jahre alten Tradition. Es ist eine mühsame Arbeit, denn von den Felder muss der Dung gesammelt werden, um die Töpfe anzuheizen.Ladakhs Kultur hat sich aus der Übermittlung von Waren und Ideen aus den Nachbarländern entwickelt, die durch die verschiedenen Routen der Seidenstraße verbunden waren. Im Lauf der Jahrhunderte sind jedoch Teile der kulturellen Identität in Vergessenheit geraten und Kulturerbestätten gingen beinahe verloren. Mittlerweile werden Geschichte und Traditionen der Region, unterstützt durch die Regierung und dank der Bemühungen einheimischer Bewohner und Wissenschaftler, wieder zum Leben erweckt und für die Zukunft bewahrt.

A group of Ladakhi
Eine Gruppe Frauen aus Ladakh in traditioneller Kleidung während des Naropa-Fests, wo im Kloster Hemis das Leben und die Lehre von Naropa, einem verehrten Heiligen und Gelehrten, gefeiert werden

Anurag Mallick y Priya Ganapathy

Nach einer Karriere im Medienbereich in Werbung, Radio, Film und Internet haben Anurag Mallick und Priya Ganapathy ihre Unternehmen verlassen, um sich auf den Reisejournalismus zu konzentrieren. Das heimatlose Duo hat einen ‚losen Sitz‘ in Bengaluru und leitet Red Scarab Travel & Media, das maßgeschneiderte Tourismuslösungen anbietet.
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